The Imperfectionists

The Imperfectionists
Tom Rachman, 2013-02

Das Buch war ein Zufallsfund auf einem der Neuheitentische im Orell Füssli Book Shop. Die Qualifikation «The New York Times Book Review Book of the Year» und die Lobpreisungen auf dem Buchrücken weckten meine Kauf- und Leselust. Es hat sich in der Tat gelohnt, das Buch zu lesen.

Rachman beschreibt in einer Folge von lose miteinander verbundenen Szenen – jede für sich genommen eigentlich eine isoliert vom Kontext lesbare Short Story – das Schicksal einer amerikanischen Zeitung, die sich an ein internationales Publikum richtet und in Rom geschrieben, redigiert und herausgegeben wird (mit einigen weltweit verstreuten Korrespondenten). Die Zeitung erinnert unweigerlich an die New York Herald Tribune. Allerdings ist mir nicht klar – es gibt im Buch keinerlei direkte Hinweise –, ob dies Zufall ist oder Absicht; und ob, falls Absicht, die Ähnlichkeiten einen Bezug zur Realität der Herald Tribune haben.

Die Zeitung war nach dem zweiten Weltkrieg vom steinreichen amerikanischen Selfmademan Cyrus Ott gegründet worden, der mit der Zeitungsgründung seine amerikanische Familie verlassen hatte und nach Rom, sozusagen zu ‚seiner’ Zeitung gezogen war. Dort kaufte er eine römische Villa aus dem 17. Jahrhundert, die er sorgfältig renovieren liess und mit wertvoller Kunst (Bilder) aus dem 19. und 20. Jahrhundert ausstattete. Er lebte allein in dieser Villa, zog sich, als er krebskrank wurde, konsequent dorthin zurück und starb völlig vereinsamt. Die Ott Group (sein Lebenswerk) führte die Zeitung – angesichts der laufenden Verluste, die sie produzierte, im Wesentlichen aus Pietät gegenüber ihrem Gründer und Übervater – lustlos weiter. Nach einem kurzen Hoch, während dem die Auflagezahlen knapp oberhalb der Messbarkeitsgrenze lagen, geriet sie immer stärker in den Strudel der digitalen Kommunikation, welche die Print- und insbesondere Newsmedien weltweit immer stärker erschütterte. Oliver, der letzte Ott, der die Zeitung führte, wegen völliger Interesselosigkeit und Untätigkeit allerdings direkt in den definitiven Untergang, war ein gescheiterter Kunstgeschichtestudent. Anstatt in Rom das Zeitungsunternehmen tatkräftig zu führen, oder geordnet und mit Anstand gegenüber Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu liquidieren, verschanzte er sich mit seinem Hund in der Ott’schen Villa und war, als die Ott Group über seinen Kopf hinweg das Ende der Zeitung beschloss, kaum fähig, seinem Personal dieses bittere Ende bekannt zu geben.Die einzelnen Short Stories beschreiben ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zeitung in für diese jeweils weichenstellenden Lebenssituationen. Der Autor schildert diese Geschichten mit viel Sympathie für das Zeitungsmilieu, mit sehr viel und intimer Milieu-Kenntnis, mit Humor und zweitweise schneidendem Sarkasmus, und mit grosser Distanz zur journalistischen Arbeit. Er bekennt im abschliessenden Gespräch mit seinem Landsmann und Berufskollegen Malcolm Gladwell, dass er diesen Kontrast zwischen ‚the grand and the human’ mit seinem Roman bewusst erforschen wollte. Das gelingt ihm sehr gut. Das Buch ist sprachlich und strukturell bestens gelungen und ein grosser Lesegenuss.

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