Staatsfeinde

Staatsfeinde
Hansjörg Anderegg, 2018-04

Das Kernthema des neusten ‚Anderegg’ (Nr. 17) ist KI (Künstliche Intelligenz) und die Art und Weise, wie damit die sogenannten ‚sozialen Netzwerke’, beziehungsweise deren Nutzer, so intensiv, gemein-hinterhältig und versteckt manipuliert werden können, dass politisch-gesellschaftliche Kampagnen in ganz bestimmte Richtungen gelenkt und deren Zielgruppen zu Mord und Totschlag animiert werden können.

Das ist nicht nur ein brisantes, sondern auch ein brandaktuelles Thema: russische – oder auch chinesische – Aktionen zur Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen oder anderer politischer Prozesse auch in Europa lassen grüssen. Allerdings stehen im Vergleich zu Andereggs Szenario die bekannt gewordenen Einflussnahmen auf Kindergartenstufe. Das spricht jedoch nicht dagegen, im Gegenteil, sich mit den denkbaren zukünftigen Manipulationsmöglichkeiten der Menschen über das Internet oder die Infrastrukturen, welche es ermöglicht, zu befassen. Genau das tut Anderegg, in seiner bewährten technisch kompetenten und souveränen Art.

Denn sein Plot spielt in einer Welt, die es so noch nicht gibt, und die vielleicht (am Schluss lässt Anderegg durchblicken, dass er hoffentlich ‚hoffentlich’ meint) erst in ferner Zukunft oder gar nie so existieren wird. Er äussert jedenfalls – in Gestalt seines ‚Helden’ – auf Seite 371 Zweifel, ob die Entwicklung der KI die Menschheit wirklich voranbringen kann: «Die Menschheit ist offensichtlich der Herausforderung solcher Software nicht gewachsen. Es spielt nämlich gar keine Rolle, ob KI-Software echte Intelligenz zeigt oder sie nur vorspielt. Die Massen sind in jedem Fall leicht zu manipulieren.»

Die Geschichte spielt sich in gewohnt rasantem Tempo auf verschiedenen, rasch wechselnden Schauplätzen ab, von Berlin über das Thriller-Zentrum im Raum Köln-Aachen-Düsseldorf bis nach Edinburg. Andereggs kriminalistisches Personal ist aus seinen früheren Thrillern bekannt.

Die Hauptperson, gleichzeitig der unfreiwillige Täter, ist das IT-Genie Phil Schuster, dem es als erstem Software-Entwickler gelungen ist, eine KI-Software zu entwickeln, welche jeden Turingtest mit Glanz und Gloria besteht. Leider – oder wie zu erwarten ist selbstverständlich – ‚passiert’ es auch diesem Genie, dass seine Software wegen eines Denkfehlers des Entwicklers in das grosse weite Internet entweicht, sich dort unbegrenzt ausbreitet und durch eine böswillige und manipulative PR-Firma missbraucht wird.

Der Roman ist spannend und führt zu einem überraschenden Ende. Allerdings stellt er an das technische Verständnis seiner Leserschaft sehr hohe Anforderungen. Es ist fraglich, ob von IT ‚unbeleckte’ Leserinnen und Leser den Plot und die zugrundeliegende Technik (KI, Bots, Darknet, Turing, etc.) auch wirklich verstehen und einschätzen können.

PS:

Mit Freude habe ich festgestellt, dass über Gespräche mit dem Autor auch persönliche Elemente Eingang in den Thriller gefunden haben, z.B. ein Negroni mit Punt è Mes, oder Henry Keller. 

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