
Schlachtfeld ist Hansjörg Andereggs 20. Thriller. Mit der Regelmässigkeit der Jahreszeiten publiziert er jährlich seine zwei Bücher, eins im Frühling, das zweite im Herbst. Wie üblich verwendet Anderegg als ‚Aufhänger‘ ein aktuelles wissenschaftliches Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz. In Schlachtfeldist das Thema die sogenannte grüne Gentechnik – also die auf der Genschere CRISPR-CAS9 basierende Möglichkeit, das Erbgut von Pflanzen oder Tieren, also die DNA, gezielt zu schneiden und zu verändern (Genom Editing). Einzelne Gene, oder Gensequenzen, können mit CRISPR-CAS9 eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. ‚grün‘ wird die Technik genannt, wenn sie dazu verwendet wird, beispielsweise Pflanzen resistent gegen Schädlinge zu machen und dabei auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu verzichten, oder Pflanzen zu befähigen, mit weniger Wasser auszukommen und dadurch besser mit Klimaveränderungen umzugehen. In Schlachtfeld steht die deutsche Start-up-Firma FoxCrop im Brennpunkt; sie hat mit CRISPR-CAS9 den sogenannten Supermais entwickelt, der auch in zunehmend trockenen Gebieten wie der Sahel-Zone oder in deutschen Gebieten, die seit Jahren unter extremer Trockenheit leiden, erfolgreich angebaut werden kann.
Allerdings spielt im Buch ein zweites Schlachtfeld eine zentrale Rolle, nämlich die Clankriminalität, die sich zu einem Staat im Staat zu entwickeln droht und in einigen deutschen Grossstädten, im konkreten Fall in Berlin, zunehmend der staatlichen Kontrolle entzogen hat. Anderegg stellt zwischen den beiden Schlachtfeldern eine Verbindung her, die in einem eigenen Handlungsstrang eine bedeutende Rolle für das Schicksal von FoxCrop eine entscheidende Rolle spielt.
Natürlich behandelt Anderegg auch die Tatsache, dass – gerade in Deutschland –, ausgerechnet von den Grünen, die Gentechnik fundamentalistisch verteufelt und mit allen Mitteln unterdrückt wird. Der Widerspruch zwischen dem Ziel der grünen Politik, den Lebenswert unseres Planeten zu bewahren und die Lebensbedingungen für unsere Spezies zu erhalten, und der kategorischen Ablehnung der grünen Gentechnik, die bei nüchterner und objektiver Betrachtung genau dieses Ziel massgebend unterstützen kann, wird (leider, aus meiner Sicht) eher beiläufig behandelt. Dieser Widerspruch sowie die generelle Bedeutung der Gentechnik für die Lösung zahlreicher offener Probleme der Menschheit würden es verdienen, ausführlicher und vertieft dargestellt zu werden, auch zulasten der Ausführlichkeit der Clan-Kriege.
Was Anderegg über den libanesischen Ramadan-Clan schreibt, sprengt die Grenzen der Vorstellungskraft. Der von Abu Ramadan geleitete Clan besteht aus einer Grossfamilie von über 500 Mitgliedern und betreibt ein ‚Geschäft‘, zu dessen Hauptpfeilern Prostitution, Drogen, Schutzgelderpressung, Geldwäscherei und Immobilien gehören. Mord und Totschlag sind notwendiger Bestandteil des Clan-Führungsstils; man muss ja Verräter und äussere Feinde wirksam zurückbinden und abschrecken können. Kleinkriminalität gehört gewiss auch dazu, ist aber mehr ein Hobby einzelner Clanmitglieder als eine organisierte Clan-Sparte. Da Anderegg für seine Bücher sehr sorgfältig recherchiert, kann man davon ausgehen, dass dieses Muster eines Clans nicht seiner übersteigerten Fantasie entspricht, sondern in etwa die deutsche Clan-Wirklichkeit abbildet. Umso mehr wundert man sich, wie es die deutschen Behörden so weit kommen lassen konnten.
Der Thriller ist spannend und vergnüglich, auch wenn die Blutrünstigkeit in Schlachtfeld das übliche Mass – und wohl auch die Lebenswirklichkeit – bei Weitem übersteigt. Wie bei Anderegg üblich, wechseln die Handlungsorte, meistens auch Tatorte, rasant. Im Zentrum steht Berlin mit Potsdam; hinzu kommen Polen, Rügen und Burkina Faso. Ich bin sehr zufrieden, endlich ein Buch vor mir zu haben, in dem meine Lieblingsstadt Ouagadougou vorkommt – jetzt fehlt nur noch Antananarivo.
Im Zentrum der handelnden Personen stehen die aus den früheren Thrillern Andereggs wohlbekannte Chris Roberts und ihr Umfeld, zuzüglich einiger neuer Gesichter aus den verschiedenen deutschen Polizei-Organisationen. Das Spektrum der Bösewichte umfasst korrupte Anwälte und Strafverfolgungskader, Clanhäuptlinge (Libanesen und Albaner), Clansoldaten und -opfer.
Zur Handlung nur so viel: Blut fliesst in Strömen, aber auch in Schlachtfeld siegt das Gute.