
In Wikipedia wird ‚schwarzer Humor’ so definiert: «Als schwarzer Humor wird Humor bezeichnet, der Verbrechen, Krankheit, Tod und ähnliche Themen, für die gewöhnlich eine Abhandlung in ernster Form erwartet wird, in satirischer oder bewusst verharmlosender Weise verwendet.»
Das deckt sich schön mit meiner eigenen Formel für schwarzen Humor: «Mit Entsetzen Scherz treiben!» (frei nach Schillers Lied von der Glocke: «Da werden Weiber zu Hyänen – und treiben mit Entsetzen Scherz.»)
Der Autor, Thomas Raab, vertritt in seiner theoretischen Einleitung eine wesentlich engere Auffassung, und zwar eine stark politisch-gesellschaftlich eingefärbte Sicht auf das Thema; für ihn ist ‚schwarzer Humor’ subversiv, Ausdruck einer Auflehnung gegen etablierte Ordnungen (Gesetze), und Merkmal einer elitären Gruppengesinnung.
Es mag sein, dass bereits die ursprüngliche, angeblich klassische Anthologie von André Breton von dieser Sicht ausging; ich habe die Mühe, dies zu recherchieren, nicht auf mich nehmen wollen. Denn für mich ist Raabs Definition eine reine Kopfgeburt, die keinen anderen Zweck verfolgt als damit eine gesellschaftliche Theorie aus einer ungewohnten Ecke zu beleuchten. Damit kann ich wenig bis nichts anfangen; ich will mir meine Freude am schwarzen Humor im Sinne der Wikipedia-Definition (prominentes Beispiel: Roald Dahls Kurzgeschichten; siehe ebenfalls Wikipedia) weder nehmen noch verderben lassen. Es scheint überhaupt, dass Raab die angelsächsische Welt, meines Erachtens die Heimat des schwarzen Humors, entweder nicht kennt, oder jedenfalls nicht zur Kenntnis nehmen will. Auch die ausgewählten literarischen Beispiele der Anthologie deuten darauf hin.
So oder so, die Auswahl ist in dem Sinne sehr exotisch, als mehr Gesellschaftskritik als Humor zum Zug kommt. Schon allein aus diesem Grund, aber auch wegen des Anthologie-Charakters, empfiehlt sich eine portionierte Lektüre des Buchs. Die Sammlung von kurzen Texten verschiedenster Autorinnen und Autoren suggeriert und erleichtert einen solchen Zugang sowieso.
Die ersten Geschichten, die ich gelesen habe, haben mit ‚meinem’ schwarzen Humor nichts zu tun, auch nicht mit Humor. Sie sind nur insofern interessant, als sie einen Eindruck vermitteln von dem, was ‚kluge’ Zeitgenossen für repräsentative und relevante Literatur unserer Zeit halten. Weiterlesen ist also gerechtfertigt und aus edukativen Gründen angezeigt, Weiterkritisieren jedoch nicht!
Ein paar Geschichten weiter gebe ich auf. Die von Raab getroffene Auswahl hat mit Humor oder gar schwarzem Humor wenig bis nichts zu tun. Er bringt Auszüge von literarischen Texten, die, trotz Einleitungstexten des Herausgebers, unverständlich sind, weil ihnen ‚ihr’ Kontext fehlt. Die meisten zeitgenössischen Texte sind für die Gegenwartsliteratur, oder auch für die gegenwärtige Geisteswelt, ein abschreckendes Armutszeugnis. Die Autorinnen und Autoren kapriziieren sich auf ausgefallene, abstruse und abstossende Geschichten, auf stilistische Eskapaden (sprachlicher oder grammatikalischer Art), welche die fehlende inhaltliche Substanz bei weitem nicht aufwiegen können.
Fazit: Schrott – wegwerfen, obwohl es ein Buch ist!