letzte Fragen

letzte Fragen

Ich bin ein Agnostiker. Ich halte mich, jedenfalls bei wichtigen Lebensfragen, an Fakten oder an wissensbasierte Grundüberzeugungen. Das Transzendentale lehne ich für meine Lebensgestaltung als nicht verbindlich ab. Deshalb weigere ich mich, mich mit letzten Fragen auseinanderzusetzen wie etwa:

  • Gibt es einen (vorgegebenen) Sinn des Lebens?
  • Gibt es einen Gott?
  • Gibt es ein Leben nach dem Tod?

Meine Antwort auf solche Fragen ist nicht ein simples Nein, sondern ein achselzuckendes dreifaches «Weiss nicht», oder je nach Stimmung auch «Ist mir egal». Das bedeutet, dass meine Lebensführung davon unabhängig ist, ob die Antwort auf solche Fragen Ja oder Nein lautet.

Meines Erachtens kann keine der denkbaren Antworten auf solche Fragen auf Wissen begründet sein, sondern jede Antwort ist subjektiv und kann nur von derjenigen Person stammen, welche die Frage stellten. Antworten auf solche Fragen sind entweder ein persönliches Bekenntnis zu einem transzendentalen Konzept; oder sie sind das Ergebnis eines individuellen Entschlusses, die Antwort einer fremden Instanz, welche die Zuständigkeit für das Transzendentale in Anspruch nimmt, als verbindlich zu übernehmen. Für meine persönliche Lebensgestaltung sind deshalb Antworten auf solche Fragen irrelevant. Weil ich mich selbst für abschliessend verantwortlich für meine eigene Lebensgestaltung halte, kann ich diese auch freihändig bestimmen, also ohne Umweg über die Beantwortung solcher angeblich ,letzten Fragen’.

Somit bleibt für Menschen, die das so sehen wie ich, nur noch die Frage, wie es wäre, wenn es Wirklichkeit gültige Antworten auf die ,letzten Fragen, gäbe. Zu Lebzeiten hat jeder Mensch nur die Wahl habe zwischen einem Glauben an die Transzendenz, was ich ablehne, oder der bewussten und begründeten Weigerung, sich mit solchen Fragen überhaupt auseinanderzusetzen. Letztlich sind abschliessende rational begründbare Antworten auf ‚letzte Fragen’ gar nicht möglich.

Und nach dem Tod ist es zu spät.

Wenn die agnostische Annahme, dass Transzendenz inexistent ist, stimmt, gibt es kein Leben nach dem Tod. Und ich kann weder die Genugtuung darüber geniessen, dass meine Haltung richtig war, noch kann ich anderen zeigen: «Seht, ich hatte recht».

Falls es jedoch einen Gott und ein Leben nach dem Tod gäbe, wäre es für eine andere Lebenseinstellung auch zu spät. Ich – oder mein in diesem Fall unsterbliches Selbst – müsste dann mit den Konsequenzen leben, und bereit sein, zu Lebzeiten dieses Risiko zu sehen und zu ertragen.

Über ein allfälliges Leben nach dem Tod lässt sich nur spekulieren.

Die Suche nach Antworten auf letzte Fragen wird häufig gewählt, um auf Umwegen zu einfachen Antworten zu gelangen. Es sind Umwege, weil entweder «fremde» Instanzen (z.B. Religionen, ➯ Gurus) bemüht werden, die Antworten zu liefern, oder weil Krücken wie Gott benötigt werden, um Antworten zu finden, die der gesunde Menschenverstand ebenso gut und direkt liefern könnte.

Die Antwort des Hitch Hiker’s Guide to the Galaxy gehört in die erste Kategorie von Umwegen. Dort lautet die «Antwort auf die letzten Fragen des Lebens, des Universums und von allem und jedem» schlicht und lapidar: 42. Diese Antwort ist unbefriedigend und rätselhaft, weil «42» nicht im Entferntesten zu irgendwelchen konkreten oder gar moralischen Handlungsanweisungen führen kann, sondern auch, weil der «Guide» weder die Formel, die zu dieser Antwort führt, noch einen Ansatz zur spirituellen Interpretation dieser kryptischen Antwort liefert. Man muss wohl ein einfaches Gemüt haben, um die wahrscheinlichste Erklärung zu findet: Der Autor des «Guide» veräppelt seine Leser.

Die Antwort von Brecht – eingebettet in eine der Parabeln des Herrn K. – ist da schon hilfreicher. Herr K. beantwortet die Frage «Gibt es einen Gott?» mit «Wer die Frage stellt, braucht einen.»

Brechts Logik lässt sich auf alle letzten Fragen anwenden. Wer eine Antwort auf letzte Fragen sucht, braucht eine, und muss sich selbst entscheiden, auf welchem Umweg er sie finden will. Daraus folgt, dass man sich das Leben einfacher machen kann, wenn man solche Fragen gar nicht erst stellt.

Letztlich können alle ,letzten Fragen’ mit dem Mantra meiner Grossmutter gelöst werden; sie hat mich damit in meiner Jugend so drangsaliert, dass ich es 70 Jahre später immer noch – auch als Handlungsanweisung im Sinne eines Kant’schen Imperativs ,light’ – ständig mit mir herumtrage: «Was Du nicht willst, das man Dir tu’, das füg’ auch keinem Andern zu.» Schon die alten Römer wussten das: «Quod tibi fieri non vis, alteri ne feceris!» (dem Kaiser Alexander Severus, 222-235, zugeschrieben)

Benjamin Franklin hat einem Freund die gleiche Frage, als er – Franklin – schon todkrank auf seinem Sterbebett lag, so beantwortet: «Lieber Freund, für solche nutzlosen Fragen habe ich jetzt wirklich keine Zeit; ausserdem: ich werde sehr bald die Gelegenheit haben, selbst zu erfahren, wie die Antwortet lautet.»

Das ist wahrhaftige Lebensklugheit – oder müsste es ,Todesklugheit’ heissen? Immerhin: Franklin hat den epochalen Franklin-Stove (der dem Schreiber im hohen Norden Alaskas das Leben gerettet hat) und natürlich den Blitzableiter erfunden, lange bevor er auf seinem Sterbebett lag.

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