Intuition

Intuition
Allegra Goodman, 2011-08

Roman aus dem medizinisch-biologischen Krebs-Forschungsmilieu der USA; Hauptschauplatz Cambridge, MA (Forschungsinstitute an Harvard und MIT).

Im Zentrum steht das Philpott Institute (Harvard), geleitet vom Marion Mendelssohn (selbst dedizierte und akribische Forscherin) und Sandy Glass (äusserst erfolgreicher und von der Idee besessener Onkologe, Philpotts heilige Mission sei die Entdeckung einer Therapie gegen Krebs, und ‚figure head’ (Fundraiser und ‚Verkäufer’) von Philpott.

Cliff, einzelgängischer, überambitionierter und nach Nobelpreislorbeeren schielender Postdoc-Forscher am Institut, stösst nach mehreren Jahren erfolgloser Forschung auf ein Virus, das künstlich erzeugte Krebserkrankungen in Versuchsmäusen wieder zurückgehen lässt.

Robin, ebenfalls Postdoc-Forscherin am Philpott Institute, gut acht Jahre älter als Cliff, beginnt eine spannungsvolle Liebesbeziehung mit Cliff und lernt dabei seine Impulsivität, seine Disziplinlosigkeit und seinen Ehrgeiz sehr gut kennen. Ihr eigenes Forschungsprojekt dümpelt vor sich hin. Als bei Cliffs Projekt, das eigentlich schon vor dem Abbruch steht, plötzlich vielversprechende Ergebnisse auftauchen und er sich unverhohlen als wissenschaftlicher Nabel der Welt sieht, bricht die Beziehung auseinander. Sandy ist von Cliffs – voreiligem – Durchbruch begeistert und beginnt sofort, auch gegen Widerstand Marions, die Werbetrommel für das Institut zu rühren. Alle Kräfte des Labs werden auf Cliffs Projekt angesetzt; Marion erhält den Auftrag, Cliffs Ergebnisse unabhängig zu reproduzieren Dies gelingt ihr nicht, was – zusätzlich genährt durch Beobachtungen von Cliffs schlampiger Arbeit mit seinen Versuchstieren – bei ihr den Verdacht erzeugt, dass seine Ergebnisse wissenschaftlich nicht haltbar sind. Sie wird zur Whistleblowerin und damit zur von ihren bisherigen Kolleginnen und Kollegen und insbesondere natürlich auch von Sandy geächteten Verräterin des Labors.

Der Wettlauf von Sandy, die Wissenschaft vom Durchbruch in der Krebstherapie zu überzeugen – widerstrebend von Marion unterstützt – wird zunehmend von der Gruppendynamik im Personal des Labs überlagert: Alle ausser Robin für Cliff, alle gegen Robin. Goodman beschreibt das packend und mit sehr viel Verständnis für die Mentalität von Forschern sowie für den Zielkonflikt zwischen wissenschaftlichen Standards und Ansprüchen einerseits und dem Streben nach Erfolg, Auszeichnung und Ehre.

Zusätzlich entwickelt sich ab hier der Roman zu einer Schilderung des US-amerikanischen Wissenschaftsbetriebs, der in einem dichten und undurchschaubaren Filz von Politik (Funding und Aufsicht), Medien (auf der permanenten und zwielichtigen Suche nach Helden und Skandal) und Wissenschafts-Establishment nach Erfolg hechelt.

Ein grandioses Buch:

  • packende und sehr gut komponierte Story;
  • glänzend und mit einem guten Schuss Humor geschrieben;
  • mit enorm viel Empathie für die handelnden Personen, die ohne den sensationslüsternen Reflex auskommt, die Welt immer sofort in Bösebolde und Tugendwichte einteilen zu müssen.

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