i hate the internet

i hate the internet
Jarett Kobek, 2018-02

Das Buch wird weder seinem Titel noch den Anpreisungen seiner Werber gerecht. Es ist nicht „thrillingly funny”, es ist auch nicht ein Buch über das Internet, und es ist auch nicht „wildly entertaining”.

Es ist eine abgehackte Aneinanderreihung von Episoden, die teilweise sehr wohl lustig und unterhaltsam sind, aber weder einen Anfang, noch ein Ende, noch einen roten Faden haben.

Der Autor bekennt es selbst (Seite 212 der englischen Serpent‘s Tail Paperback-Ausgabe 2017): Er begründet in Kapitel XXV warum er den ursprünglichen Kapiteltext aus dem Buch entfernt hat, wie folgt: «Anyway, the Chapter’s fatal flaw was that it couldn’t tie these ideas together. They were wispy threads of an unwoven tapestry.» Mit der gleichen Begründung hätte er den ganzen Text des Buchs entfernen können.

Im Grunde zelebriert das Buch alle Eigenschaften, die es an der heutigen Gesellschaft (insbesondere Kaliforniens, der Tech-Welt) selbst anprangert: Sie begnügt sich mit Häppchen und ersäuft sich selbst in der flachsten möglichen Oberflächlichkeit. Es ist ein wild zusammengekitteter Brei von Äusserungen zu Genderfragen, Rassenfragen, Minderheitsangelegenheiten, Behandlung der eingeborenen Bevölkerungen aller Kontinente, Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung durch das Kapital, Selbstpreisgabe der Menschen durch freiwilliges Hereinfallen auf Marketing-Hype der Grossindustrie (die natürlich die Welt absolut beherrscht). Das Buch verweist auf die irre Gegebenheit, dass die Betreiber des Internets für sich in Anspruch nehmen, ein Ort der Gedankenfreiheit oder Freiheit an sich zu sein, dass aber die Geräte, auf denen dies geschieht, in China durch Sklavenarbeit (sic!) hergestellt würden, und dass Freiheit und Gedankenfreiheit nur Vorwände seien, um die Benutzer besser ausnützen zu können. Im gleichen Aufwischen wird auch angeprangert, dass die US-Gründerväter sowohl die Unabhängigkeitserklärung geschrieben hätten als auch Sklavenhalter gewesen seien.

Solche Themen aufzureissen, ist das Eine. Das aber auf eine so eklektische, oberflächliche und unfertige Art zu machen, entspricht genau dem, was der Autor dem Internet und dessen ‚owners’ (also Zuckerberg, Bezos oder Page & Co.) vorwirft. Immerhin, auch die Nutzer bekommen ihr Fett ab; der Autor anerkennt – wohl sehr beiläufig – dass das Ganze nicht möglich wäre, wenn nicht alle schlicht und einfach Idioten wären. Ein seriöser Versuch, die Verantwortung der nützlichen Idioten und der Profiteure abzugrenzen, findet selbstverständlich nicht statt.

Der einzige Ort, wo der Buchtitel zu seinem Recht kommt, ist eine flammende Rede auf den Seiten 266-272, die einer der Protagonisten des Buchs, der amerikanisierte Türke J. Karacehennem (‚whose last name was Turkish for Black Hell‘ – was einem immer wieder in Erinnerung gerufen wird), vor seinem über die Verderbtheit und Degeneration San Francisco’s frustrierten Auszug aus San Francisco auf den so genannten ‚Twin Peaks‘ (ein Aussichtsturm bei San Francisco) an die dort versammelten Touristen hält. In dieser Rede prangert er so ziemlich alle negativen Aspekte des Internets, im Grunde jedoch vielmehr der Nutzung des Internets, an, welche «i hate the internet» rechtfertigen können.

Wer also wissen möchte, warum sie oder er das Internet hassen soll, möge sich mit diesen wenigen Seiten begnügen; der Rest des Buchs ist überflüssige und ärgerliche Garnitur.