Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen

Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen
Youval Noah Harari, 2017-22

Homo Deus ist eine Art Fortsetzung von Hararis Eine kurze Geschichte der Menschheit (siehe Besprechung 2017-16). Nachdem ich dieses Werk als viel zu Verfolgungswahn-lastig kritisiert habe (überspitzt zusammengefasst: Homo Sapiens ist von den Bäumen heruntergestiegen, um den Planeten, den er bewohnte und eroberte, zu zerstören.), bin ich etwas skeptisch, wie das nun weitergehen soll. In Kapitel I, in dem Hariri unter dem Titel «Die neue menschliche Agenda» die Grundlage für die ‚Geschichte von Morgen’ legt, verstärkt sich diese Skepsis. Er setzt sich hier jedoch nicht mit der Zerstörungswut von Homo Sapiens auseinander, sondern mit den Wesensmerkmalen der Moderne, welche Hariri als bestimmend für unsere Zeit und damit auch als ‚roten Faden’ für die Zukunft sieht.

Das sind: Die Verdrängung des Hungers durch das Zu-viel-Fressen, die Überwindung von Seuchen und Krankheiten, das weitgehende Verschwinden von Krieg, der Griff nach der Unsterblichkeit, die Verwandlung des Rechts auf das Streben nach Glück durch ein ‚Recht auf Glück’, der an sich uralte, aber jetzt in Griffweite gerückte Wunsch der Menschen, Gott spielen zu können, die zunehmende Geschwindigkeit von Veränderung und die daraus resultierende Angst vor den Folgen.

Die wichtigsten Elemente aus diesem Katalog sind der Dreiklang: Streben nach Unsterblichkeit, nach Glück, sowie nach Gottähnlichkeit; die Behandlung dieses Dreiklangs ist der Kern von ‚Homo Deus’.

Hariri arbeitet dabei mit seinem aus dem ‚Vorwerk’ bekannten ziemlich üblen Trick: zuerst übernimmt der den Hype der Apologeten von Veränderungen, um dann nach ausschweifenden Schilderungen, was uns alles bevorsteht, am Schluss die Relativierung zu bringen: alles nicht so schlimm, muss man nicht wörtlich nehmen, ist übertrieben, und ausserdem ist auch gar nicht sicher, ob es so kommt. Als Leser fühle ich mich veräppelt. Das ist besonders typisch bei den Abschnitten über den Griff nach der Unsterblichkeit sowie über das Glück.

Beim Traum von Unsterblichkeit, der übrigens so alt ist wie die Menschheit, zitiert er vom ‚Papst’ Kurzweil an abwärts alle Koryphäen, die uns Unsterblichkeit verheissen, beziehungsweise davon schwafeln. Am Schluss lässt er dann die Luft heraus und erwähnt, dass es auch im 21. oder 22. Jahrhundert nur darum gehen kann, die durchschnittliche Lebensdauer deutlich zu verlängern, z.B. um den Faktor 2. Er verweist auch auf die unzähligen Probleme, die das mit sich bringen würde (verdrängt aber die herausfallenden Zähne, den altersbedingten Verlust an Sehkraft, etc.), präsentiert allerdings keine Lösungen.

Beim Glück, das auch ein uraltes Bedürfnis der Menschen ist, geht er ähnlich vor: Er behauptet, dass das Ausmass des Strebens nach Glück etwas fundamental Neues ist, verzichtet aber auf eine sorgfältige Definition von ‚Glück’ (er differenziert also nicht einmal zwischen dem Zufallsglück (Lottogewinn) und dem ekstatischen Glück (Orgasmus); das ‚Glück der Fülle’ kommt schon gar nicht vor). Erst gegen Schluss seiner Ausführungen zum Glück bringt Hariri die einzige vernünftige Definition von Glück, nämlich Glück – oder Zufriedenheit – als Übereinstimmung von Erwartung und Realität. Dass bei einer solchen Definition ein ‚Recht auf Glück’, also der Anspruch der Menschen, ‚Glück’ geschenkt zu bekommen, natürlich vom Staat, ein Unding ist, erwähnt oder sieht er nicht.

Die zahlreichen Verweise und Bezüge auf die Entwicklung der menschlichen Zivilisation sind zwar treffend, manchmal auch lustig, und mindestens anekdotisch überzeugend, arten aber, weil Hariri dann doch immer wieder sozusagen als Pointe eine Widerlegung oder starke Relativierung einbringt, in eine reine Volumenproduktion und Redundanz aus, die irritiert und ermüdet. Meines Erachtens fehlen bei den Auslassungen über das Streben nach Glück folgende wesentlichen Elemente:

  • Ursachen des neuzeitlich intensiveren Verlangens nach Glück (Verlust der gesellschaftlichen Strukturen und Ordnungssysteme, die jedem und jeder ihren Platz auf der Glücksskala zuwiesen; unendliche Ausweitung der Wahlmöglichkeiten dank Verschiebung der Grenzen des Machbaren, gesellschaftlich-technischer Entwicklungen, Tod der Götter, aufklärerischer Freiheiten, etc.)
  • Überforderung der Individuen durch die unbegrenzten Wahlmöglichkeiten
  • Überforderung durch das neuzeitliche Mantra: das Machbare ist ein Rechtsanspruch oder wird gar Pflicht
  • Differenzierung zwischen (dauerhaftem) ‚Glück’ und (kurzzeitigem) ‚Kick’
  • Differenzierung zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen oder Zivilisationen; für einen Chinesen sind Glück oder Freiheit ganz andere Bezugsgrössen als für einen durch die abendländischen Kulturtraditionen oder die Aufklärung geprägten Europäer

Letztlich bewegt sich Hariri auf sehr wackligem Terrain, wenn er ‚Glück’ auf biomechanische Vorgänge im menschlichen Körper reduziert. Mir scheint, dass er hier Ursachen und Wirkungen verwechselt. Es mag ja schön und interessant sein, dass die Neurowissenschaften Glück oder Glücksgefühle auch als biomechanische Vorgänge erfassen können. Ob aber damit die Ursache von Glück gefunden ist, oder ob nicht vielmehr Glückserlebnisse oder Glücksgefühle diese biomechanischen Vorgänge auslösen, ist wissenschaftlich noch längst nicht geklärt; deshalb erscheint die Reduktion von Glück auf biomechanische Prozesse mindestens äusserst gewagt, nach meinem ‚XMV’ eher als abwegig.

Generell ist bei der Lektüre von ‚Homo Deus’ grösste Vorsicht angebracht. Harari neigt dazu, die Geschichte so zu schildern, wie wenn seine Schilderung die Fakten widerspiegeln würde. Dabei präsentiert er jeweils seine eigene persönliche Interpretation dessen, was passiert ist – oder (im Sinne von Szenarien) sein könnte, als Fakten. Das gilt sowohl für die Einleitung als auch für die Teile 1 bis 3. Auch seine Wertungen sind keinesfalls allgemein akzeptiert, auch wenn er sie in ziemlich anmassend absoluter und apodiktischer Form vorbringt. Eigenes Denken ist also bei der Lektüre sehr hilfreich und notwendig.

Auf Seiten 95ff holt Harari das nach, was er eigentlich an den Anfang des Buches hätte stellen sollen: eine Erläuterung der Struktur des Buchs. Nach der Einführung, welche in Überschallgeschwindigkeit und auf Baumgipfelhöhe die gesamte Thematik des Buchs überfliegt, kommt Harari zur Sache:

  • Teil 1:

Hier setzt er sich mit dem Verhältnis zwischen Homo Sapiens und anderen Tieren auseinander, sowie mit den Wesensmerkmalen, welche unsere Spezies so besonders machen.

Er erläutert und begründet seine drei Hauptthesen, nämlich dass die Menschen danach streben, unsterblich, glücklich und göttergleich zu werden. Er verfährt generell – wie bereits beschrieben – nach dem gleichen Muster, d.h. die Thesen, welche er aufstellt, werden ‚extrem’ präsentiert und anschliessend dann relativiert. Unter dem unverfänglichen Kapitel-Titel «Das Paradox des Wissens» (Seiten 81ff) entzieht er seiner These den ‚Prophezeiungscharaker’, indem er sie nicht mehr auf die menschlichen Individuen, sondern auf die «Menschheit als Kollektiv» bezieht, indem er seiner «historisch begründeten Prognose» den Charakter eines politischen Manifests abspricht und betont, dass ‚Streben nach etwas’ noch lange nicht bedeutet, dass man es auch bekommt, und indem er betont, seine ‚Prognose’ sei «weniger eine Prophezeiung als vielmehr eine Diskussion über unsere gegenwärtigen Wahlmöglichkeiten». Ausserdem relativiert er seine Zukunftsperspektiven dadurch, dass er betont, dass Prognosen vielfach das Verhalten der betroffenen Menschen so verändern, dass – wegen dieser Veränderungen – die Prognosen nicht mehr eintreffen werden – sozusagen das Gegenteil der ‚self-fulfilling prophecy’.

«Das ist das Paradox historischen Wissens. Wissen, das Verhalten nicht verändert, ist nutzlos, aber Wissen, das Verhalten verändert, verliert rasch seine Relevanz. Je mehr Daten wir haben und je besser wir die Geschichte verstehen, desto schneller ändert die Geschichte ihren Lauf und desto schneller veraltet unser Wissen.» (Seite 84)

  • Teil 2:

Im zweiten Hauptkapitel untersucht er «die bizarre Welt, die Homo Sapiens im letzten Jahrtausend geschaffen hat, und den Pfad, der uns an unsere gegenwärtigen Scheidewege führte».

Der Kern seiner Darstellung ist die These, dass das ganze Streben der Menschheit darauf ausgerichtet ist, die Unsterblichkeit, das Glück sowie die Gott-Ähnlichkeit zu verwirklichen. Es ist sicher richtig, dass es immer wieder einzelne Menschen, auch mächtige Menschen, gibt, die solche Zielvorstellung verfolgen. Harari liefert aber keine plausiblen Gründe dafür, dass die gesamte Menschheit an solchen Zielen hängt.

Seine geschichtliche Herleitung dieser These steht aber auf schwachen Füssen. Sie steht auch total quer zum Grundgedanken der Evolution, deren Produkt der Homo Sapiens ja auch gemäss Harari ist. Der Grundgedanke der Evolution ist ’survival of the fittest’; d.h. die ‚Natur’ (wer immer das sein mag) ist eine Lotterie, die mit der Entwicklung aller Spezies spielt, neue genetische Mutationen geschehen lässt, und es darauf ankommen lässt, welche Mutationen erfolgreich sind, und welche nicht anpassungsfähig sind und deshalb wieder untergehen. D.h. die Evolution ‚will’ gar nichts, ausser den Zufall spielen lassen.

Von den 2 Milliarden Menschen Afrikas werden höchstens einige ausgefallene Individuen von den Bäumen heruntergestiegen sein, um solche Ziele zu verwirklichen; fast alle jedoch haben genug damit zu tun, das eigene Überleben für sich selbst und ihre Familie für den laufenden Tagsicherzustellen. Den Luxus, an Glück oder Unsterblichkeit zu denken, können sie sich gar nicht leisten. Dasselbe gilt wohl auch für die meisten Menschen Lateinamerikas und Asiens. Und in der sogenannt westlichen Gesellschaft ist es auch nur eine kleine Minderheit, die sich den Luxus leisten kann, ihre ‚raison d’être in der Erreichung solcher Ziele zu sehen.

Auch der Ingenieur im Silicon Valley, auf den sich Harari immer wieder bezieht, denkt zunächst ganz gewiss nicht daran, unsterblich im Sinne von Kurzweil zu werden, sondern er sucht nach ‚seiner’ Killer-App, will damit ein Unternehmen gründen und dieses so spektakulär wie möglich zum IPO zu führen. Wenn er damit berühmt, oder im Sinne der VIP-Mentatlität ‚unsterblich’ wird, umso besser; zunächst aber genügt es ihm, damit reich zu werden.

Der grosse Fehler Hararis besteht meines Erachtens darin, das Bestreben Einzelner (auch wenn es viele sein mögen), als gerichtete und geleitete Anstrengung der Gesamtheit der Homo Sapiens darzustellen. Beispiel: Er stellt die Leistungen der mittelalterlichen Klöster in den Bereichen Arbeitsorganisation, Bibliothekwesen, Zeitmanagement, oder Organisation von Wissen als Leistung der katholischen Kirche dar. Das ist grundfalsch, denn diese Leistungen (beispielsweise der Zisterzienser oder Benediktiner) wurden, teilweise gegen die Kirche, von einzelnen Mönchen erbracht, welche sich mit ihren ‚Getreuen’ in die verlassensten Gegenden Europas zurückzogen und dort in Einsamkeit und ganz allein auf sich gestellt ihr ‚ora et labora’ zu praktizierten.

Er verkennt auch, dass der von ihm als treibende Kraft postulierte ‚Humanismus’ ein Konglomerat vieler gegensätzlicher Denk-Strömungen ist und sich ganz und gar nicht als Triebfeder seiner drei Ziele eignet. Wikipedia definiert Humanismus wie folgt: «Humanismus ist eine seit dem 19. Jahrhundert gebräuchliche Bezeichnung für verschiedene, teils gegensätzliche geistige Strömungen in diversen historischen Ausformungen, unter denen der Renaissance-Humanismus begriffsbildend herausragt. Gemeinsam ist ihnen eine optimistische Einschätzung der Fähigkeit der Menschheit, zu einer besseren Existenzform zu finden. Es wird ein Gesellschafts- und insbesondere Bildungsideal entworfen, dessen Verwirklichung jedem Menschen die bestmögliche Persönlichkeitsentfaltung ermöglichen soll. Damit verbindet sich Kritik an bestehenden Verhältnissen, die aus humanistischer Sicht diesem Ziel entgegenstehen. Hinsichtlich der konkreten Inhalte bestehen zwischen den einzelnen Humanismuskonzepten grosse Unterschiede, die sich aus der Verschiedenheit der anthropologischen Grundannahmen ergeben. Insbesondere besteht ein Gegensatz zwischen den Modellen, die aus der Tradition des Renaissance-Humanismus hervorgegangen sind, und alternativen Entwürfen der Moderne, die sich in Opposition zum traditionellen Humanismus begreifen und mit ihm wenig gemeinsam haben, aber am Begriff Humanismus als Selbstbezeichnung festhalten.»

Harari setzt ‚Humanismus’ gleich mit ‚Liberalismus’. Das ist sicher insofern richtig, als Liberalismus ohne Humanismus nicht möglich wäre. Er vergisst jedoch, dass der Liberalismus dem ‚nackten’ Humanismus ein wesentliches Element hinzufügt: das Konzept der Eigenverantwortung der Menschen, sowohl für ihr Tun (und Lassen), als auch für dessen Folgen. Das macht es erstens sehr fragwürdig, Liberalismus mit Kommunismus oder Nationalsozialismus zu vergleichen und zweitens, diese drei ‚…ismen’ auf die gleiche Stufe zu stellen.

  • Teil 3:

In Hauptkapitel 3 «beschreibt er unsere augenblickliche Lage und unsere möglichen Zukünfte.» Er setzt sich mit der Frage auseinander, weshalb «Versuche, den Humanismus zu vollenden, in seinem Sturz münden» könnten, sowie «inwiefern die Suche nach Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit die Grundfesten unseres Glaubens an die Menschheit erschüttern könnten.»

In diesem Teil demontiert Harari Konzepte wie ‚Bewusstsein’ (also Vorstellungen von ‚ich’ oder ‚innerem Selbst’), ‚freier Wille’ oder ‚zielgerichtetes Entscheiden’. Alles, was den Homo Sapiens ausmacht, besteht in diesem Szenario letztlich nur aus biomechanischen deterministischen Abläufen (Algorithmen). Und wenn der Mensch nur eine Sammlung von Algorithmen ist, muss es auch denkbar und vorstellbar sein, dass sich Algorithmen verselbständigen, besser werden als der Algorithmus ‚Homo Sapiens’ und diesen somit überflüssig machen.

Natürlich hat Harari mit den Hinweisen recht, dass es bisher nicht gelungen ist, eine menschliche Seele wissenschaftlich zu identifizieren, Bewusstsein oder Intelligenz nachzuweisen und im Menschen zu lokalisieren. Aber der Schluss, den er daraus zieht, nämlich dass damit deren Inexistenz bewiesen sei, erscheint mir als voreilig. Jedenfalls möchte ich mein Weltbild nicht auf diese Beweislage abstützen. Für den einzelnen Menschen und für die Spezies insgesamt ist es viel wichtiger, dass an solche ‚Dinge’ geglaubt und danach gehandelt wird, als dass sie wissenschaftlich beweisbar sind: «Perception is reality! »

In Hararis Szenarien steht der sogenannte ‚Dataismus’ im Zentrum. Das ist eine Sicht auf die Welt, in der zusätzlich zu den Algorithmen, Daten, Datenflüsse und Datenverarbeitungssysteme die Hauptrolle spielen. Das bleibt allerdings sehr vage; jedenfalls wird mir nicht ganz klar, wo er die Grenze zwischen Datum, Information und Bedeutung zieht. Für mich ist die Nähe von ‚Dataismus’ und ‚Dadaismus’ nicht zufällig; die Idee des ‚Dataismus’ hat nämlich durchaus einen dadaistischen Anstrich.

Wie schon in den Teilen 2 und 3 relativiert er am Schluss dieses Szenario, aber erst dann, nachdem er es auf 150 Seiten wie eine bereits bestehende Wirklichkeit, ohne Konjunktiv oder ‚vielleicht’, beschreibt. Das tönt dann so: «Wir können die Zukunft nicht wirklich vorhersagen. All die hier in diesem Buch entworfenen Szenarien sollten als Möglichkeiten und weniger als Prognosen verstanden werden. »

Ich frage mich, ob es dafür wirklich total rund 550 Seiten braucht.

Jedenfalls kann ich mir auch nach der Lektüre des Buchs nicht vorstellen, wie eine Sammlung von noch so klugen Algorithmen je in der Lage sein soll, Phänomene wie Kreativität, Intuition, Willkür, Barmherzigkeit und Fürsorge, oder Freiheitstrieb, Gemeinsinn, Selbstaufopferung nachzubilden oder gar zu ersetzen.

Selbst falls dies je einmal möglich sein sollte, erscheint es mir weder als wünschbar noch schön. Eine Welt ohne Geisteswissenschaften und Künste hat meines Erachtens mit der Spezies Homo Sapiens nichts mehr zu tun. Ich lebe und bleibe lieber in der Unvollkommenheit der menschlichen Existenz. Abgesehen davon: meine Lebenserwartung ist definitiv kürzer als alles, was Hararis Szenarien bieten.

Ich verzichte darauf, das Buch ‚en détail’ zu besprechen. Das Muster ‚übersteigerte Prognose, Relativierung’ zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch. Und ein weiterer ‚tragender’ Makel des Buchs besteht darin, dass Harari mit Begriffen jongliert, die er nicht klar definiert, oder bei denen er – nicht nur in der ‚obligaten’ Relativierung – nachträglich betont, dass wir sie nicht tief genug verstehen. Beispiele dafür sind Glück, Intelligenz, Bewusstsein, ‚Gott-spielen-wollen’. Ich vermisse ebenfalls einen offenen und pragmatischen Bezug zur Wirklichkeit: beim Thema ‚Unsterblichkeit’ beispielsweise fehlen Hinweise darauf, dass, wenn wir je einmal 200 Jahre alt oder älter werden, wir alle taub, blind, lahm und dement sind und im Rollstuhl sitzen, weil unsere Körper schlicht und einfach nicht für eine solche Lebenserwartung gebaut sind. Daran ändert auch die klügste ‚künstliche Intelligenz’ rein gar nichts.

Gewiss, Harari präsentiert viele originelle und anregende Ideen zu Geschichte und denkbarer Zukunft unserer Zivilisation. Sein ‚Homo Deus’ eignet sich aber weder als autoritativer Schlüssel zu unserer Vergangenheit, noch als Leitfaden, und schon gar nicht als Wunschzettel für unsere Zukunft.

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