Erkenne dich selbst!

Erkenne dich selbst!
Klaus Bartels, 2019-17

Das Büchlein enthält hundert ‚Worte‘ (Spiegel der Antike – Griechenland und Rom), von Klaus Bartels ausgewählt, übersetzt sowie mit Quellenangaben und Erläuterungen ergänzt. Alle behandeln im weitesten Sinn die Lebensklugheit, mehrheitlich auch das Altern und die Altersweisheit. Herausgeberin ist die «Vontobel Stiftung Kreatives Alter» (wohl deshalb auch das Vorwort von Dr. Hans Vontobel).

Wenn ich Texte von alten ‚Römern oder Griechen‘ lese, staune ich immer wieder, wie diese fast alle Weisheiten, die heutzutage von selbsternannten Experten, Beratern, Philosophen Selbsthilfeproduzenten oder sonstigen Klugscheissern mit geschwellter Brust verkündet werden, bereits kannten und publizierten. Zwei Beispiele mögen dies illustrieren:

«Oft, wenn er auf die Überfülle der zum Verkauf angebotenen Waren hinblickte, sagte Sokrates im stillen zu sich: Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!»

Diogenes Laërtios, Philosophiehistoriker, wohl um 200 n.Chr., Leben und Lehre der Philosophen 2, 25

So ist es: der ganze Erdkreis steht uns zu Gebote, und von Tag zu Tag zeigt er sich künstlicher kultiviert und reicher ausgestattet. Alles ist bereits erschlossen, alles bekannt, alles voller Betriebsamkeit. Die lieblichsten Kulturen haben berüchtigtes Ödland überzogen; Fruchtfelder haben die Urwälder zurückgedrängt; das zahme Hausvieh hat die wilden Tiere in die Flucht geschlagen. Der blosse Sand wird besät, der schroffe Fels bepflanzt, Sümpfe werden trockengelegt. Städte gibt es so viele wie früher nicht Häuser. Längst haben Ferne Inseln ihren Schauder, Riffe ihren Schrecken verloren; überall gibt es Häuser, überall Völker, überall Staaten, überall reges Treiben.

Das schlagendste Zeugnis für das Überhandnehmen der Menschen aber ist dies: wir sind der Welt zur Last. Kaum reichen die Elemente, Erde und Wasser, Luft und Feuer, uns noch aus; die Zwänge ziehen sich enger zusammen, und Klagen werden allenthalben laut, während doch umgekehrt die Natur uns, die Menschen, bereits nicht mehr erträgt. Wahrhaftig: Seuchen, Hunger, Kriege und andere Katastrophen, die ganze Völker dahinraffen, müssen nachgerade als heilsame Eingriff angesehen werden, gleichsam als ein Zurückschneiden des allzu üppig ins Kraut schiessenden Menschengeschlechts…

Tertullian, Kirchenvater, um 160 – 220 n-Chr., De anima («Über die Seele»)

Greta Thunberg wird’s freuen.

Trotzdem: es wäre zu begrüssen, wenn der ‚alte Wein in neuen Schläuchen‘, der uns immer wieder um die Ohren gehauen wird, mit etwas grösserer Bescheidenheit daherkäme.

Das Büchlein ist ein bestens geeigneter Nachttischbegleiter und kann helfen, mit grossen Gedanken gut einzuschlafen.