
In diesem Roman kommt Guido Guerrieri nicht vor. Der Ich-Erzähler bleibt namenlos; es bleibt dem Leser überlassen, ob er unter diesem ‚ich‘ den ‚avvocato‘ oder den Autor selbst – also Gianrico Carofiglio – sehen will.
Die Geschichte beginnt damit, dass ‚ich‘ an einem Dezemberabend im Jahr 2007 vom Anruf von Giampiero Lanave überfallen werde. ‚ich‘ bin Giampiero, einem ehemaligen Schulfreund, der wie ich in Bari lebt, seit 20 Jahren höchstens per Zufall begegnet und habe seit den Schulzeiten nie mit ihm telefoniert. Er will mich sofort zuhause abholen und mit mir und seinem Gast Paolo Morelli, ein gemeinsamer Schulfreund, der aber vor über 20 Jahren, ohne sich zu verabschieden, ausgewandert ist, den Abend verbringen und sich über die guten alten Zeiten unterhalten.
Den ganzen Abend und die halbe Nacht schwelgen die ‚alten‘ Freunde, die sich aber sehr fremd geworden sind, in ihren Erinnerungen an ihre Schulzeit, an gemeinsame Unternehmungen, Bubenstreiche und in Nostalgie über gesellschaftliche Zustände, Stadtteile und Institutionen, die Bari verloren hat und Stadt und Leute bis zur Unkenntlichkeit verändert haben.
Die Gespräche wecken in ‚ich‘ immer wieder assoziative Erinnerungen, die gar nicht Gegenstand der Gespräche sind, die ‚ich‘ aber auf isolierte Inseln der eigenen Identität entführen und aus dem gemeinsamen Gespräch ausklinken lassen. Teilweise sind das Episoden, die in den ‚avvocato‘-Romanen bereits aufgetaucht sind; aber in der «Nacht in Bari» ist die Folge so dicht, dass eine Art von Autobiografie entsteht, in der ‚ich‘ sehr konkrete Gestalt annimmt.
Der Roman ist, wie vom Titel suggeriert, sehr Bari-spezifisch und vermittelt ein Bild dieser Stadt und deren Evolution von einem obsoleten Kaff des Mezzogiorno in eine moderne Stadt. Für Bari-Besucher ist das zweifellos eine lesenswerte historische Einführung.