
Asad veröffentlicht seine Autobiografie mit 54. In seiner Funktion als UNO-Gesandter Pakistans wird er immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie es denn gekommen sei, dass er sich als ‚abendländischer‘ Bürger, in Europa als Sohn europäischer Eltern geboren und erzogen, so vollständig und vorbehaltlos von seinem angestammten Kulturkreis abgewendet und eine ebenso bewusste Zuwendung zu einem ganz andern Kreis vollzogen habe (Seite 15 oben). Diese Fragen und sich daraus ergebende vertiefende Gespräche bewogen ihn schliesslich, seine eigene Entwicklung selbst zu hinterfragen und zu dokumentieren.
Im Einleitungskapitel beantwortet er die Frage mindestens vorläufig mit einigen, aus meiner Sicht ziemlich verworrenen und historisch fragwürdigen Ausführungen zu einer offenbar bereits 1950 vorhandenen negativen und herablassenden westlichen Einschätzung des Islam. Er findet Wurzeln dafür:
- schon bei den ‚alten‘ Griechen und Römern, bei denen er einen masslosen Überlegenheitsanspruch gegenüber allen fremden Kulturen – selbstverständlich ‚Barbaren‘! – verortet (Seite 15ff
- bei der Fortführung dieses Abendland-zentrierten Denkens in der Haltung gegenüber Hinduismus oder Buddhismus (Seite 17), und
- schliesslich bei den Kreuzzügen (Seite 18ff)
Zwischenhalt nach Seite 91:
Zu schön, um wahr zu sein…
Kurzfassung der Autobiografie des ‚Helden‘:
Als Sohn einer polnisch-jüdischen Familie 1900 im polnisch-österreichischen Lemberg geboren, diverse abgebrochene Studien in Wien, 1920 dann ‚Flucht‘ – auch wegen des Drucks des Vaters, etwas ‚Vernünftiges‘ studieren zu müssen – nach Berlin, wo er in Literaten- und Intellektuellenkreise um Hugo Ball, Friedrich Murnau, Max Reinhard und Maxim Gorki gerät.
1922 reist er auf Einladung eines Onkels, der als Schüler Freuds in Wien Psychoanalyse studiert hat und jetzt in Palästina tätig ist, nach Palästina, angeblich das Land seiner Väter. Er bleibt dort hängen und entwickelt eine grosse Bewunderung für alles ursprünglich Arabische, die im Zug vieler Reisen im Nahen und Mittleren Osten zur grossen Liebe wird, auch zur Religion der Araber, zum Islam.
1927 Konversion zum Islam, Heirat mit der 22 Jahre älteren deutschen Malerin Elsa Schiemann, die allerdings kurz danach, bei einer gemeinsamen Pilgerfahrt nach Mekka, an Malaria stirbt. Setzt sich für einige Jahre in Saudi-Arabien fest, wird Freund von Ibn Saud (dem späteren König), studiert die arabische Kultur, Sprache und Religion an der Quelle. Heiratet die Tochter eines Beduinenscheichs; der gemeinsame Sohn wird Kulturanthropologe und macht sich an amerikanischen Eliteuniversitäten einen Namen.
Wird 1932 vom ‚geistigen Vater‘ Pakistans, dem Dichter Muhammad Iqbal, nach Indien eingeladen, wo er «Islam at the crossroads» veröffentlicht, eine – gemäss Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe – «vernichtende visionäre Kulturkritik am Okzident, seinem Utilitarismus, Konsumwahn, Ausbeutertum und an seiner Dekadenz».
Arbeitet an der Übersetzung der von al-Bukhari gesammelten Aussprüche des Propheten Muhammad, von der allerdings – kriegsbedingt – nur der erste Band erscheinen wird (1938); mit Kriegsausbruch in Indien interniert (u.a. weil er seit 1938 wegen des Anschlusses Österreichs deutscher Staatsbürger wird).
1947 Flucht nach Pakistan, Staatsdienst im diplomatischen Dienst, ab 1952 pakistanischer Staatsbürger und Gesandter Pakistans bei den Vereinten Nationen.
Nach dritter Ehe (im gleichen Jahr 1952) mit einer muslimischen Amerikanerin polnischer Herkunft Ausscheiden aus dem Auswärtigen Dienst und Beginn einer Odyssee und einer literarischen Karriere: 1954, «The Road to Mecca»; 1961, «The Principles of State and Government in Islam»; 1980, «The Message of the Qur’an» (eine Übersetzung des Korans in shakespeare’sches englisch; 1987, «This Law of Ours and other Essays».
Stirbt 1992 in Mijas, in der spanischen Provinz Malaga; begraben auf dem muslimischen Friedhof in Granada.
«Der Weg nach Mekka» beschreibt das Leben Asads (‚der Löwe‘) bis etwa 1932 und konzentriert sich auf das Suchen (und Finden) des Autors nach der aus seiner Sicht richtigen Lebensphilosophie, die er offensichtlich im Islam gefunden zu haben glaubt.
Eindrücke aus den ersten 91 Seiten:
Asad muss ein richtiges Wunderkind gewesen sein:
Mit 13 Jahren beherrscht er bereits deutsch und polnisch, hebräisch und aramäisch, selbstverständlich auch lateinisch und griechisch. Er kennt das alte und neue Testament und beherrscht die Exegese wie ein Rabbiner; er erkennt, dass sich Bibel und Talmud ausschliesslich um die Geschicke eines einzigen Volkes, nämlich der Hebräer, kümmern und deswegen provinzieller Natur sein müssen; ihm missfällt, dass sich die jüdische Religion viel zu viel mit dem Ritual befasst – anstatt (meine Schlussfolgerung daraus) – mit religiöser Substanz. Das führt ihn zunächst über spöttische Zweifel zu einer Entfremdung von der Religion und einer agnostischen Grundhaltung, d.h. einer ‚mehr oder weniger gleichgültigen Ablehnung aller herkömmlichen Religionsvorstellungen‘ (Seite 77).
Mit 17 entdeckte er über eine deutschsprachige Übersetzung des Tao-Te-King Lao-tse. Seine ursprüngliche intuitive Begeisterung, und die dadurch ausgelöste Hoffnung, im Tao endlich die Wahrheit über das Leben zu erfahren, verblasste jedoch bald. «Lao-tse wich Schritt um Schritt in den Hintergrund zurück und nahm fast unmerklich die Gestalt eines Poeten an. Man las ihn noch ab und zu und empfand jedes Mal den Stich einer glückhaften Offenbarung; und jedes Mal legte man das Buch mit dem leisen Bedauern fort, dass dies ja doch nur ein Traumesruf wäre, ein Lockruf zu phantastischen, abseitigen elfenbeinernen Türmen. Und wenngleich dies mit meiner zwiespältigen, verbitterten, habgierigen Umwelt durchaus nicht eines Sinnes war, hatte ich dennoch kein Verlangen, in einem Elfenbeinturm zu leben.» (Seite 99). Unweigerlich kommt mir bei solchen Klugheiten Asads die Kritik an den Psychoanalytikern (siehe unten) in den Sinn: selbstgefällig, Selbstsicherheit, die komisch anmutet…
Nach dem Ersten Weltkrieg studiert er in Wien Kunstgeschichte und Philosophie, wurde aber bald davon enttäuscht, denn das Studium führt ihn in seiner Suche nach einem ‚unmittelbaren Zugang zum geistigen Sinn allen Seins‘ nicht weiter. Ihn stört vor allem, dass sich alle Professoren und sonstigen Experten sich nur oder primär mit den ästhetischen Gesetzen der künstlerischen Gestaltgebung befassten, anstatt nach den innersten Beweggründen des Kunstschaffens an sich zu suchen (Seite 79ff). Er meinte, das wahre Ziel aller Kunst müsse darin bestehen, «uns Einblicke in jene geheime, sinnhafte Ordnung zu gewähren, die alles Sein umspannt und sich einigend hinter den tausendfachen Einzelbildern birgt, die unsere bewusste Wahrnehmung uns so fragmentarisch offenbart; das Einigende hinter dem Vielfältigen, das Dauernde hinter dem Scheinbar-Zufälligen. …».
Er beendet schnell und enttäuscht ebenfalls einen Versuch, den Sinn des Lebens in der Psychoanalyse zu finden: «Die philosophischen ‚Schlussfolgerungen‘ Freuds und seiner Schüler schienen mir doch zu selbstgefällig zu sein, zu sehr am Schnürchen zu gehen; sie vereinfachten das Verwickelte auf eine viel zu bequeme Art und gebärdeten sich mit einer Selbstsicherheit, die einen manchmal fast komisch anmutete, als Offenbarung letzter Wahrheiten. …». Und all das von einem 20-jährigen Halbgebildeten!
Aber mit 20 weiss er bereits, dass und warum die abendländische Zivilisation zerrüttet, korrumpiert und wertlos ist; allerdings ist er noch in dem Sinne weltanschaulich zynisch, weil es ihn eigentlich nicht stört, in dieser Zivilisation zu leben. Er ist ein von sich selbst vollkommen überzeugter Besser- und Alleswisser – nur, was und wohin er selber will, das weiss er noch nicht. Er sieht auch, bis er in Palästina – mit 22 – den Islam kennen lernt, keine Notwendigkeit, sich mit metaphysischen Fragen auseinander zu setzen.
Immerhin entschliesst er sich (folgerichtig?), mit seinen Studien aufzuhören und sich dem Journalismus zuzuwenden. Das (zu finanzieren) lehnt jedoch sein Vater ab; er machte sich selbständig und gelangte via Prag nach Berlin, wo er – auf Umwegen – tatsächlich im Journalismus landete und im Rahmen seines ersten Auftrags zur Berichterstattung nach Palästina geschickt wurde.
Asads Rückblenden auf sein Eindringen in die arabische Kultur und den Islam, die in den ersten 90 Seiten vorkommen, sind in einer geradezu kitschigen Art und Weise sublimiert und überhöht, sodass die Lektüre zweitweise zu einer richtigen Qual wird. Die Kultur der Araber und Beduinen wird dabei so romantisiert, wie wenn seine Kindheitslektüre (Karl May) unbedingt wieder zum Leben erweckt werden sollte. Der Beduine wird zum ‚edlen Wilden‘, der junge Ibn Saud zum weisen Häuptling, der mit übernatürlicher Klugheit, Milde und Kraft nichts Falsches machen kann – überirdisch!
Die Art und Weise, wie Asad – aus meiner Sicht durchaus berechtigt – die (allerdings teilweise nur vermeintliche) Dekadenz der westlichen Zivilisation nach dem ersten Weltkrieg – beschreibt und begründet, strotzt jedoch von Unkenntnis der Geschichte und von Demagogie. Beispielsweise kommen Stichworte wie Freiheit (einschliesslich der Freiheit zum Missbrauch der Freiheit), Demokratie, Gleichberechtigung aller Menschen, Herrschaft von Gesetz und Ordnung in Asads Überlegungen überhaupt nicht vor. Überdies fehlt bis jetzt jegliche kritische Auseinandersetzung mit dem Islam. Die kritische Auseinandersetzung erscheint mir wie eine mit dem Vorschlaghammer subtil angelegte Spur zur – späteren – Erkenntnis, dass der Islam die einzig richtige Antwort auf die Defizite der westlichen Zivilisation sein muss. Die Absolutheit und ausschliessliche Ausrichtung auf die westliche Zivilisation seines Urteils entbehren jeglicher Grundlage.
Es wird später zu sehen sein, ob sich Asad vergleichbar kritisch mit dem Islam oder der arabischen Kultur auseinandersetzen wird. Jedenfalls steht für mich als Laien fest, dass die Kritik an der westlichen Zivilisation und insbesondere deren religiösen Grundlagen für den Islam genauso gültig sind.
Eindrücke aus Kapitel III (Winde), Seiten 93 bis 132:
Erstens zeigt hier Asad erneut, dass er geradezu emphatisch alles, was arabisch ist, umarmt. Die arabische Welt verkörpert für ihn die Antithese zum Westen: So wie der Westen den Zusammenhang zwischen dem Sinnlichen und dem Seelischen verloren hat und verderbt, korrumpiert und nur dem Materiellen zugewandt ist, so ist die arabische Welt rein, frei von «jenen Seelenspaltungen, frei von den Gespenstern der Angst, Gier und der inneren Verdrängung, die das europäische Leben so hässlich und hoffnungsarm machen». Die arabische Kultur offenbart ihm, «wonach ich immer unbewusst gesucht hatte: eine gefühlsmässige Unmittelbarkeit in allem Erleben, eine instinktive Offenheit für alle Fragen des Daseins – eine Vernunft des Herzens» (Seite 130).
Zweitens lehnt er die zionistischen Bestrebungen, in Palästina zurückzuholen, was die Juden vor 2’000 Jahren verloren haben, und eine Heimat wiederherzustellen, konsequent und – zum Missfallen vieler jüdischer Bewohner – strikt ab. Er sieht kristallklar, dass der Versuch, eine fünf- bis 10-fache Mehrheit arabischer Einwohner und Angehöriger schon vor den Arabern angesiedelter Ethnien durch einwandernde Juden zu verdrängen, zur Katastrophe führen muss.
Drittens nimmt er seine frühere in Berlin bei United Telegraph begonnene journalistische Tätigkeit wieder auf und wird Sonderkorrespondent der Frankfurter Zeitung.
Eindrücke aus Kapitel IV-XII (Stimme, Geist und Fleisch, Träume, Wegesmitte, Dschinne, Persischer Brief, Daddschal, Dschihad, Wegesende)
Die Umschlingung der arabischen Welt wird kräftiger und intimer. Asad erkennt jetzt, worin die arabische ‚Stimmigkeit‘ begründet ist. Die Erkenntnis erschliesst sich ihm aus den Kamelreiterliedern, deren Eintönigkeit, Einstimmigkeit, ewig sich wiederholenden Tonfolgen Klangsymbole eines Gefühlswissens sind, und die der Atmosphäre der Wüste entsprungen sind. Er sieht in ihrer Zeitlosigkeit und Unwandelbarkeit einen offenkundigen Kontrast zum Abendland, wo die Vieltönigkeit nicht nur zur Musik, sondern zu allem menschlichen Streben und Verlangen gehört (Seiten 133-134). Anmerkung: Asad kennt offenbar die gregorianischen Gesänge der katholischen Liturgie nicht.
Die Wüste wird zur Metapher für die Unversehrtheit der Seele der Araber. In der Wüste gibt es «kein Zwielicht des Gefühls, sind das Innere und das Äussere, das Ich und die Welt keine gegensätzlichen oder gar gegnerischen Begriffe» (Seite 134). Ahnungsvoll stellt Asad immerhin die Frage, wie lange die arabische Welt dem Druck fremder Kräfte widerstehen und die Unversehrtheit ihrer Seele bewahren kann. Anmerkung: Vielleicht gründet diese Frage auch darin, dass Asad in Ibn Sauds Palästen den Fuhrpark des Königshauses gesehen hat.
Von Jerusalem aus reist Asad nach Kairo, zurück nach Jerusalem, und schliesslich nach Damaskus. Er ist immer noch ‚erst’ 23-jährig. Auf allen Stationen begegnet ihm die arabische Kultur als die Verkörperung des Gegensatzes zwischen dem materialistischen Westen und einem Ideal, das er zwar nicht artikulieren kann, ihm aber grundsätzlich besser gefällt und ihn emotional tief anspricht. Er erlebt einen Kulturschock, als er von Damaskus aus via Istanbul zurück nach Deutschland fährt.
In aus meiner Laiensicht völlig abwegigen theologischen Klimmzügen potenziert er den Gegensatz zwischen Abendland und Morgenland, indem er dem ‚paulinischen‘ Christentum vorwirft, grundsätzlich jegliche Lebensbejahung zu bekämpfen, eine Dichotomie zwischen Seele und Körper zu kultivieren, und nach dem Prinzip, unterscheiden zu müssen «zwischen dem, was Gottes ist, und dem, was des Kaisers ist», sich auf das rein Religiöse zu beschränken, und als allen weltlichen Dingen herauszuhalten. «Indem die Kirche darauf verzichtete, die Gläubigen in weltlichen Dingen zu belehren, hatte sie den eigentlichen Zweck allen Glaubens verfehlt – nämlich, dem Menschen zu zeigen, wie er nicht nur richtig fühlen, sondern auch richtig leben soll. Solch ein Versagen der Kirchenlehre musste unausbleiblich zum ethischen Versagen der abendländischen Kultur führen.» (Seiten 176/177) Anmerkung: Stichworte wie Aufklärung, Kant, kategorischer Imperativ kommen nicht vor.
Asad nähert sich nun – über die Umarmung alles Arabischen hinaus – immer mehr dem Islam an. In einer Diskussion mit einem Professor der Al Ashar-Universität setzt er sich auch mit der Frage auseinander: «… ist es denn wirklich zweckdienlich, sich auf eine bestimmte Lehre und einen bestimmten Satz von Geboten zu beschränken? Wäre es nicht vielleicht besser, sich in allen Gewissensfragen auf die eigene innere Stimme zum verlassen?» (Seite 235) Die Antwort läuft darauf hinaus, dass die Berechtigung der Offenbarungsreligion(en) darin besteht, dass eben nur die ‚Boten der Offenbarung‘, d.h. die Propheten die eigene Stimme vernehmen und verstehen und die Offenbarung an alle anderen Menschen weitergeben können. Für den Professor ist eben auch die Frage, wie der Mensch sich zu benehmen hat, zwingender Bestandteil der Offenbarung. Anmerkung: Professor und Schüler halten offensichtlich nichts davon, dass eine Gesellschaft die Religion als Privatsache den Individuen überlässt und alles, was mit dem ‚richtigen Leben und Zusammenleben‘ zusammenhängt, der demokratischen Legitimation anvertrauen.
Asads Schilderung seines allmählichen Eintauchens in die islamische Religion bis hin zur Konversion sind für mich nicht nachvollziehbar. Das müssen sie ja wohl auch nicht sein. Denn über Glauben lässt sich nicht streiten – man hat ihn – oder man hat ihn nicht. Ich würde wohl genau so wenig nachvollziehen können, weshalb ein offensichtlich hoch intelligenter, kulturell offener und neugieriger Mensch des 20. Jahrhunderts sich irgendeiner anderen monotheistischen Religion anschliesst. Ich respektiere einen solchen Weg, kann ihn jedoch nicht verstehen und mir auch nicht vorstellen, ihn je selbst zu gehen.
«Der Weg nach Mekka» ist auch nur ein (kleiner) Teil des Buchs von Asad. Es ist eine seltsame Mischung von völlig unterschiedlichen Stories:
- Erweckungsgeschichte
- elegisch zelebrierte Überhöhung der arabischen Kultur
- Geschichte des persönlichen Eintauchens in die arabische Kultur
- Geschichte von abenteuerlichen Reisen in den Nahen und Mittleren Osten, nach Nordafrika, Persien und Afghanistan
- anekdotische Geschichte der Kolonialpolitik Europas im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika im Zeitraum 1920 – etwa 1935.
Stilistisch ist das Buch schwer verdaulich. Die elegischen Schilderungen der mittelöstlichen Landschaften und Natur, der edlen Stammesführer und Emire der arabischen Kultur und Gastfreundschaft sind – für mich – zu viel des Guten. Falls Asad damit die Blumigkeit der arabischen Ausdrucksweise greifbar machen will, gelingt ihm das nicht. Die deutsche Sprache verträgt das nicht.
Per Saldo befremdet mich, dass ein in Europa sozialisierter intelligenter Mensch sich auf fast 350 Seiten über den arabischen Lebensraum, die arabische Lebens- und Regierungsweise und über den Islam auslassen kann, ohne sich ein einziges Mal mit Fragen der Demokratie, der demokratischen Legitimität, dem Verhältnisses zwischen dem Sakralen (Religion) und dem Säkularen (Staat), der Freiheit, der Gleichberechtigung aller Menschen, oder der Werte Freiheit und Eigenverantwortung auseinander zu setzen. Dazu hätte auch um 1950 guter Anlass bestanden.
Anmerkung zum Schluss:
Asad hat «Der Weg nach Mekka» 1952 – 1954 geschrieben und publiziert. Er beklagt darin den Niedergang des Islam, der seit dessen Hochblüte kontinuierlich stattfand. Er führt ihn darauf zurück, dass der Islam erstarrte und deshalb seine ursprüngliche Kraft, Innovationsfreude und Kreativität verlor. Er beklagt, dass der Islam der Neuzeit (also um 1930) – vor allem in seinen Stammlanden – zusätzlich gefährdet ist, weil er bezüglich Materialismus und Oberflächlichkeit zunehmend am westlichen Wertezerfall partizipiert. Wenn er positiv vom Islam spricht, dann hat er den ursprünglichen, vom Propheten Mohammed begründeten Islam vor Augen.
Es wäre interessant zu erfahren, wie sich Asad in seinem späteren Leben (er starb 1992) zu den Entwicklungen des Islam seit 1932 gestellt hätte: Erdölabhängigkeit, Gründung Israels, zunehmend repressive und kleptokratische Regimes, innerislamische Bruderkriege (Schiiten kontra Sunniten, IS), Terrorismus, etc.; man kann sich kaum vorstellen, dass er an seiner Islamophilie unbekümmert festgehalten hätte.
Eine andere Frage stellt sich mir so: Wenn Asad, als heute 20-jähriger mit ähnlichem biografischem Hintergrund, sich auf die Suche nach seinem eigenen Ich machen würde, wo würde er wohl landen? Immer noch in ‚seinem‘ Mekka – oder als Jihadist bei den IS-Terroristen in Syrien?
PS:
Die Originalausgabe «The Road to Mecca» erschien 1954 auf englisch in den USA und wurde vom Autor selbst ins Deutsche übersetzt; erschien erstmals 1955.
Die von mir gelesene Ausgabe erschien in zweiter Auflage 2010 im Verlag Patmos, als Publikation des VDM e.V. (Verein für denkende Menschen). Der VDM ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein von Muslimen, die sich die Förderung des wissenschaftlichen Austausches sowie den Abbau von Vorurteilen zwischen den Kulturen zur Aufgabe gemacht haben.
Autor des Vorworts ist Murad Wilfried Hofmann (deutscher Jurist und Diplomat; ebenfalls ein Islam-Konvertit).