
«Der Trick» ist Bergmanns Erstling; ein ausserordentlich lesenswerter, sehr gut konstruierter Roman, gleichzeitig eine amüsante und traurige, aber auch spannende und packende Geschichte. Sie erzählt zwei voneinander völlig unabhängige Geschichten und führt sie am Schluss des Romans zusammen.
Die erste berichtet von Mosche Goldenhirsch. Sein Vater ist Rabbi einer jüdischen Gemeinschaft in Prag, der im Ersten Weltkrieg in die königlich-kaiserliche Armee aufgeboten wird und den Krieg als Soldat erlebt. Nach seiner Entlassung kommt er nach Hause, wo er seine Frau schwanger antrifft. Er akzeptiert die Begründung seiner Frau, dass sie durch ein Wunder, analog zur unbefleckten Empfängnis, schwanger geworden ist, und er behandelt den Jungen, der bald auf die Welt kommt, liebevoll wie sein eigenes Kind. Das Kind erhält den Namen Mosche; er ist zwar schwächlich und häufig krank, entwickelt sich aber zur Freude seiner Eltern auch in der Schule zu einem guten Schüler und erweckt bei seinem Vater die Hoffnung, dass er die Laufbahn eines Religionswissenschaftlers und Rabbis ergreifen wird. Mosches Mutter wird krank und immer schwächer. In dieser Phase wird Mosche vom Nachbarn, der einen Stock über Mosches Familie wohnt – Mosches Vater, ohne dass er davon weiss – zu einer Wanderzirkusvorstellung des bekannten ‚Halbmondmannes‘ eingeladen. Die Nummer mit der schwebenden persischen Prinzessin Ariana verzaubert ihn, und er verliebt sich in die Prinzessin. Sie geht ihm nicht mehr aus dem Sinn, er träumt von ihr, sie wird für ihn ein Sehnsuchtsziel, das sein Leben zu bestimmen beginnt.
Die Krankheit von Mosches Mutter verschlimmert sich zunehmend, sie stirbt. Nach dem Tod der Mutter verlässt Mosche seinen Vater und macht sich auf die Suche nach dem Wanderzirkus. Er findet ihn und wird von der Zirkusfamilie als Mädchen für alles aufgenommen. Der Halbmondmann erkennt Mosches Zirkus- oder Magiertalent und weiht ihn nach und nach in die Geheimnisse der Magie ein. Er will Mosche ‚entjuden‘ – die Nazis haben in Deutschland die Macht übernommen – und macht ihn zu einem Perser, also zu einem Prototyp-Arier, und gibt ihm den Namen Zabbatini (eine Wortkonstruktion, die aus Respekt vor Mosches jüdischer Identität mit ‚Sabbat‘ spielt). Mosche und die persische Prinzessin, die in Wirklichkeit eine echte Berliner Göre ist und Julia Klein heisst, beginnen ein Verhältnis. Das Verhältnis fliegt auf; der Halbmondmann versucht, die Prinzessin in einer seiner Nummern zu töten; beim Versuch von Mosche, Julia zu retten, entsteht ein Feuer; der Zirkus geht in Flammen auf; der Halbmondmann verschwindet spurlos; Mosche und Julia stehen auf der Strasse.
Die beiden bauen den Zirkus neu auf. Sie haben grossen Erfolg und treten, dank seiner abgelegten jüdischen Identität auch unter dem Hitler-Regime und bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein, regelmässig in Berlin im Wintergarten auf.
Schliesslich wird Mosche von einem Verräter und Neider als Jude entlarvt. Seine Geliebte wird als Judenhure von den Nazis gefangen genommen; Mosche kommt nach Auschwitz.
Hier endet vorerst dieser erste Strang der Erzählung.
Die zweite Geschichte des Romans beginnt am Anfang des 21. Jahrhunderts. Max Cohn,15-jährig, lebt mit seinen jüdischen Eltern in einem Vorort von Los Angeles. Seine Eltern, Deborah und Harry, haben sich auseinandergelebt; wegen eines Seitensprungs wirft Deborah Harry aus dem Haus. Max leidet unter der Trennung seiner Eltern schwer.
Beim Auszug von Harry fällt Max eine alte Schallplatte seines Vaters in die Hand; er bittet Harry, die Schallplatte als Andenken an den Vater behalten zu dürfen. Auf der Schallplatte erklärt «Der grosse Zabbatini», ein einst an der amerikanischen Westküste bekannter und berühmter Zauberer, wie er arbeitet und worauf es bei der Magie ankommt. Bei einer der Nummern auf der Schallplatte geht es um einen so genannten Liebeszauber. Mit dem Liebeszauber will Zabbatini fähig sein, zwei Menschen so zusammen zu bringen, dass ihre Liebe ewig dauert. Max sieht darin die Lösung für sein Ziel, das er mit unbändigem Willen verfolgt, nämlich, seine Eltern wieder zusammen zu bringen.
Zum Entsetzen von Max ist aber genau die Stelle auf der Schallplatte, wo Zabbatini seinen Liebeszauber erklären will, mit einem Kratzer so beschädigt, dass der eigentliche Zauber gar nicht mehr verständlich abgehört werden kann.
Max macht sich also auf die Suche nach Zabbatini, den er tatsächlich in einem Heim für ehemalige Künstler findet. Zabbatini ist schon knapp 90 Jahre alt, griesgrämig, bärbeissig, abweisend, ziemlich heruntergekommen, säuft und hat kein Geld.
Trotzdem entsteht zwischen Max und Zabbatini eine Art Freundschaft. Es gelingt Max, seine Eltern, die von seinen Geschichten über Magie und den grossen Zabbatini äusserst beunruhigt sind, davon zu überzeugen, dass sein innigster Geburtstagswunsch ein Auftritt Zabbatinis bei seinem Geburtstagsessen ist. Zabbatini tritt auf, führt seinen Liebeszauber auf, und Eltern von Max kommen am Grab Zabbatinis, der inzwischen verstorben ist, wieder zusammen.
Das tönt nach Kitsch, ist es aber nicht. «Der Trick» ist eine wunderbare Geschichte von Liebe und Verlust, von Treue und Verrat, von Suchen und Finden und Sackgassen, von grossen Zielen und Niederlagen, und von der Kunst, mit diesen Lebenssituationen umzugehen.
Bergmann gelingt es, seine Geschichten technisch sehr gekonnt miteinander zu verwebem; er schreibt amüsant, in einem sehr lesbaren und guten Stil; seine zahlreichen Dialoge sind lebendig und lebensnah.
«Der Trick» bringt die rührende und berührende Geschichte von Mosche und Max und Zabbatini bruchlos mit dem Hintergrund des Zeitgeschehens zusammen.
Chapeau!