
Ein wunderbares und zauberhaftes Buch (Ostergeschenk von Brigitte, auf Empfehlung von Katrin Wiederkehr).
Die Begeisterung fängt an bei den kaum überbietbaren Wortspielen: zuallererst beim Titel ‚deaf sentence’ – am anderen Ende der Skala liegt ‚deaf row’, als Metapher für die Sitzanordnung beim ‚lip reading’-Kurs, an dem der Romanheld teilnimmt.
Die Geschichte, die der Roman erzählt, ist kurz; er beschreibt einige Monate des Lebens eines vorzeitig pensionierten und an zunehmender Hörbeeinträchtigung leidenden ehemaligen Professors für Linguistik, der einen ebenfalls an Hörproblemen leidenden in London lebenden Vater sowie eine um etliche Jahre jüngere Frau, die in der englischen Provinzstadt ‚im Norden’ äusserst erfolgreich einen Laden für Inneneinrichtung aufgebaut hat.
Der Roman behandelt inhaltlich ein wildes Potpourri von Themen:
- Hörbehinderung, einschliesslich die Schwierigkeiten im Umgang mit Hörgeräten (die sehr viele Ähnlichkeiten mit meinen eigenen Erfahrungen haben)
- Umgang von ‚reifen’ Erwachsenen mit älteren Angehörigen
- Linguistik und Sprachanalyse
- Reflexionen über ein gutes Leben
- Beziehungsprobleme in einer Patchwork-Familie von Partnern, von denen der Mann verwitwet, die Frau geschieden ist
- Suizid
- Wert des Lebens eines Menschen, der – weil er gegen eine schwere Erkrankung nicht weiterkämpfen will – nicht mehr leben will, und Gewissenskonflikte, die entstehen, wenn man entscheiden muss, ob und wie man einem solchen Wunsch entsprechen will, beziehungsweise entsprochen hat
- Sex im Alter
- Übergang Beruf – Pensioniertendasein
Ein ‚Subplot’ im Roman beschreibt die Begegnung des pensionierten ehemaligen Professors mit einer 40 Jahre jüngeren Studentin, die ein ausgesprochen spannendes und überraschendes Ende findet.
David Lodge ist ein begnadeter Erzähler: äusserst humorvoll, sehr gefühlvoll und einfühlsam, ironisch und sarkastisch, aber auch reflektierend und argumentativ, wo immer es passt oder sich aufdrängt.
Caveat: Lodge’s Englisch entspricht dem Beruf seines Helden (Professor in Linguistik), es ist anspruchsvoll; beim Lesen musste ich wiederholt zum Dictionary greifen. Der Stoff erlaubt allerdings auch, ein Wort, das man nicht versteht, einfach zu überspringen, ohne dass der Gesamtzusammenhang darunter leiden würde.
Ein Genuss – nein, ein Hochgenuss.
Ich bin Brigitte (und Katrin Wiederkehr) für dieses Geschenk sehr dankbar.