Das Ende des Papiergeld-Zeitalters – Ein Brevier der Freiheit

Das Ende des Papiergeld-Zeitalters – Ein Brevier der Freiheit
Roland Baader, Rahim Taghizadegan (Herausgeber), 2016-27

Das Buch enthält Auszüge aus Baaders Schriften und Publikationen. Es enthält keine in sich kohärente Kritik oder Analyse der von Baader angeprangerten Zustände von Gesellschaft und Politik, und entsprechend auch keine Theorie zur Wünschbarkeit und Ausgestaltung einer Veränderung dieser Zustände, sondern – in Form von willkürlich und nur sehr vage thematisch gruppierten Auszügen aus publizierten Baader’schen Werken – kurze Abschnitte oder Kapitelchen, in denen er seinen Ärger und seine Wut herauslässt. Deshalb lässt es sich auch nur häppchenweise lesen. Die Lektüre wird sehr schnell zu einer ermüdenden und ärgerlichen Pflicht.

Der Grund dafür ist die riesige Redundanz der einzelnen Auszüge, und die äusserst emotionale Penetranz, mit der Baader – durchaus berechtigt – in ständiger Wiederholung den Staat dafür kritisiert, dass er – wie ein Krebsgeschwür – immer weiter wächst und immer mehr Macht und Gewalt über seine Bürgerinnen und Bürger anstrebt, von diesen auch bekommt, und ausübt.

Baaders Hauptthemen, in die er sich mit pathologischem Eifer und beinahe fanatisch verbeisst, sind:

  • Verlust an Freiheit und Eigenverantwortung
    Der Verlust erfolgt schleichend; er wird durch zwei Treiber vorangebracht. Zum ersten ist dies die Bequemlichkeit der Bürger, die sich im Zweifelsfall lieber auf die Vorsorge des Staates ein- und verlassen, als in Eigenverantwortung und freiheitlicher Gesinnung für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und für sich (und ihre Familien) zu sorgen. Zum zweiten ist dies der Eigennutz der Profiteure des Vorsorgestaats (d.h. die Politik, die Gewerkschaften und in meiner Terminologie vor allem die ‚Helferindustrie’), die nach einer inneren Gesetzmässigkeit immer mehr vom Gleichen und immer das Gleiche für alle fordern.
    Für Baader ist a priori klar, dass eine Gesellschaft, die eine Staatsquote von über 50% akzeptiert, weder als frei noch als kapitalistisch noch als eine Marktwirtschaft bezeichnet werden kann.
  • Papiergeld, in Verbindung mit der unaufhörlichen Geldschöpfung durch Zentral- und Geschäftsbanken
    Er sieht darin die Ursache für das Grundübel der zunehmenden, geradezu unaufhörlichen Verschuldung aller Akteure. Er sieht als zwangsläufiges Ende dieses Prozesses eine apokalyptische Explosion der Blasen, die nur dank der Papiergeld-Schöpfung entstehen können.
  • Mutation unserer Gesellschaft von einer ‚Rechtsgemeinschaft’ in eine ‚Wertegemeinschaft’
    «Der gefährliche Wandel von der Rechtsgemeinschaft zur ‚Wertegemeinschaft’ ist ein Traum der Intellektuellen, weil sie hier das Interpretationsmonopol bezüglich Begriffe für sich beanspruchen können. Im Namen der Rechtsgemeinschaft kann man keine Priesterherrschaft errichten, im Namen einer ‚Wertegemeinschaft’ sehr wohl.» (Seite 127)

Im Namen der Wertegemeinschaft wird die Freiheit der Individuen zerstört, wird die ‚political correctness’ begründet, und in ihrem Namen werden die Eigentumsrechte der Menschen ausgehöhlt.

  • Baader sieht die Demokratie in erster Linie als Versklavungs- und Unterwerfungsinstrument: «Demokratie ist besser als Despotie oder Autokratie, aber sie ist nicht gleich Freiheit – und schon gar nicht freiheitsfördernd in der pervertierten Form, die sie inzwischen angenommen hat. (Seite 143) … Demokratie sollte Kontrolle des Volkes gegen Herrschaftsanmassung von Regierungen und Interessengruppen sein, nicht Herrschaft von Interessengruppen vermittels ihrer politischen Vollstrecker.» (Seite 146)

Abgesehen von der geschraubten und irreführenden Formulierung verkennt Baader vollständig, dass die Demokratie nicht eine ‚Veranstaltung für Freiheit’ ist, sondern nicht mehr und nicht weniger als ein von ihren Mitgliedern freiwillig beschlossener oder freiwillig übernommener Mechanismus für die Festlegung von Spielregeln. Insofern ist der von Baader konstruierte Gegensatz zwischen Demokratie und Freiheit abwegig; denn ‚Spielregeln’ sind per definitionem eine Einschränkung der Freiheit. Ein Zusammenleben in einer Gemeinschaft geht nun einmal nicht ohne Spielregeln, auch nicht in der von Baader geradezu hymnisch verehrten Institution ‚Familie’.

Allerdings liesse sich trefflich darüber streiten, ob unsere heutigen westeuropäischen Demokratien mit ihrem Regulierungseifer nicht viel zu weit gehen und dadurch in der Tat die Freiheit der Individuen mehr als notwendig einschränken und unterdrücken. Hierfür gibt Baader eine Menge von überzeugenden Beispielen (beispielsweise Arbeitszeitregulierungen, Sprachregelungen, Mindestlöhne).

Das Brevier schliesst mit dem vorletzten Kapitel «Die Grundlagen einer freien Ordnung». Leider hält es nicht, was es verspricht. Die einzelnen Abschnitte

  • Freiheit
  • Recht & Gerechtigkeit
  • Wettbewerb und Freihandel
  • Geld & Gold
  • Religion

und das letzte Kapitel «Plädoyer für den Kapitalismus» sind im Wesentlichen nur neu gruppierte Wiederholungen der schon früher erhobenen Thesen und Kritiken. Ein einigermassen systematischer und kohärenter Plan, wie die Menschheit ihre Freiheit wiedererlangen und leben könnte, wo die Grenze zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichen Spielregeln zu ziehen wäre, fehlt. Die schreckliche Vereinfachung Baaders: «Der Staat und seine Akteure sind böse, der individuelle Mensch in seiner Freiheit und Eigenverantwortung ist gut» (das sind meine Formulierungen, nicht die Baaders) greift zu kurz.

Trotzdem, voilà drei kurze ‚Epistel’ oder Leseproben aus dem Kapitel «Plädoyer für den Kapitalismus»:

«Künftigen Historikern wird es vielleicht unerfindlich bleiben, weshalb um die Zeit der Wende zum dritten Jahrtausend die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung Deutschlands vorwiegend mit den Begriffen ‚Turbokapitalismus’ und ‚zügelloser Neoliberalismus’ charakterisiert wurde. Ein sozio-ökonomisches Gebilde mit staatlichem Bildungswesen, staatlichem Gesundheitswesen und staatlichem Rentensystem, mit einem Staatsanteil am Sozialprodukt von über 50%, mit staatlich gelenkten Agrarmärkten, staatlich gefesselten Arbeitsmärkten, staatlichem Papiergeld und einer korporatistischen Funktionärsautokratie. Kurz: eine neue Klassenkampfgesellschaft, in welcher zwei Drittel der Bevölkerung von der Produktivität des ‚letzten Drittels’ leben – und zwar aufgrund massiven staatlichen Zwangs. Und das – werden sich jene Historiker wundern – hat man damals schrankenlosen Kapitalismus genannt, also mit einer Bezeichnung belegt, die für Privateigentum, Privatautonomie, Eigenverantwortung, Freiwilligkeit und private Vertragsbeziehungen steht.»

(Seiten 193/194)

«Entgegen allen anderslautenden Irrlehren und Lügen hat der Kapitalismus im 19. Jahrhundert – seit Beginn der sogenannten industriellen Revolution – ungezählte Millionen von Menschen vor dem Hungertod bewahrt. Und ungezählte Millionen verdanken ihm, dass sie überhaupt gelebt haben oder leben, weil sie ohne die Verbesserung der materiellen Verhältnisse überhaupt nicht geboren worden wären. Was der Kapitalismus jedoch im 20. Jahrhundert an Wohlstand und Fortschritt erzeugt hat, ist ohne Beispiel in der ganzen Menschheitsgeschichte. […] Gleichwohl ist diese beispiellose Erfolgsgeschichte nur ein Schatten dessen, was der Kapitalismus geschaffen hätte, wenn die politischen Eliten ihn nicht verstümmelt, gefesselt, niedergedrückt, eingesperrt, erstickt und ausgesaugt hätten – und wenn diese politischen Eliten seine Produktivität nicht zur Führung von Kriegen missbraucht hätten.

(Seite 194)

Im Übrigen aber gibt es wohl nirgends so wenig Diskriminierung, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Vorurteile sonstiger Art wie auf dem Gebiet der Wirtschaft. Unternehmer brauchen auf der einen Seite Verkaufsmärkte mit möglichst vielen Nachfragern für ihre Produkte und Dienste, auf der andern Seite Einkaufsmärkte mit möglichst vielen Anbietern von Rohstoffen und Zuliefermaterialien, sowie drittens einen möglichst vielseitigen Arbeitsmarkt zur Rekrutierung ihres Personals. Bei allen diesen unzähligen Leuten ist es dem Unternehmer völlig egal, welcher Nationalität, Ethnie oder Religion sie angehören oder welchen Geschlechts sie sind. Hauptsache, man kommt ins Geschäft. Kaufleute waren von Anbeginn der menschlichen Zivilisation immer die ersten (und oft die einzigen) Mittler zwischen verschiedenen Völkern und Weltreligionen. Sie wollen Geschäfte machen und keine Dogmen schmieden. Im Gegensatz zu Politikern und Parteien, denen die Verkündung von Dogmen und die Aussaat von Neid und Zwietracht erst die genügende Zahl von Anhängern sichert, würde das den Kaufleuten nur Verluste bescheren und ihre Kundschaft verjagen.»

(Seiten 190/191)

Fazit:

Baaders Grundthese, dass die Freiheit der Menschen höchstes Gut ist, dass sie kein Geschenk ist, das vom Himmel fällt, sondern stets und nachdrücklich zu verteidigen ist, bleibt das einzig Wertvolle, das man aus dem Brevier mitnehmen kann. Leider wird es durch Baaders schwülstige, ermüdend repetitive Kritik, durch seine Polemik und pathologische Verteufelung von Staat, Gesellschaft und Politik mehr vernebelt als erhellt.