Chefsache

Chefsache
Hansjörg Anderegg, 2022-05

In Andereggs Opus Nr. 21 ist Lithium der rote Faden, der sich durch die Handlung zieht. Es handelt sich dabei sowohl um Aspekte der Gewinnung von Lithium als auch um dessen Rezyklierung aus Müll als Rohstoff für zentrale Komponenten des modernen Lebens. Zentraler Ort des Geschehens ist der Grossraum Koblenz, Mainz, Wiesbaden, Aachen, Bingen, Bonn, Heidelberg und die Eifel, in der ein Start-up-Unternehmen mit Billigung der höchsten Stellen der Berliner Regierung Bohrungen durchführt, um aus dem Tiefenwasser Lithium zu gewinnen. Auf den Kulminationspunkt der Handlung hin verlagert sich das Geschehen in das Gebiet Triest und Venedig.

Der Lithium-Strang der Handlung selbst ist verstrickt mit Aktionen der sogenannten ,Müll-Mafia’, deren Geschäftsmodell darin besteht, Müll gegen saftige Entschädigung zur Entsorgung nach Afrika zu verschiffen und dort eben nicht zu entsorgen, sondern schlicht und einfach in der Umwelt, zu Land und zu Wasser, liegen zu lassen – und entsprechend verheerende Umweltschäden zu verursachen.

Chris Roberts, die aus früheren Anderegg-Thrillern alte Bekannte BKA-Hauptkommissarin, bearbeitet zusammen mit ihrem neuen Assistenten Joshi den Fall, nachdem sie wegen eines neuen Jobs ihres Mannes in die Region am Rhein gezogen ist. Aus der ursprünglichen und die ganze Geschichte auslösenden Ermordung eines Müll-Unternehmers entwickelt sich eine Serie von Mord und Totschlag, von Betrug, Bestechung und Bestechlichkeit, von Zerstörung ganzer Einkaufszentren, sogar von Erdbeben, in welcher der kleine, mit einer fantasievollen und den heutigen Stand der Technik bei weitem übersteigenden AI ausgerüstete Fiat Joshis eine bedeutende Rolle spielt.

Der Roman ist mit knapp 440 Seiten etwas lang geraten. Das viele Hin und Her zwischen den rheinländischen Schauplätzen ist zeitweise ermüdend. Die eigentliche ,Lithium-Story’ (jedenfalls die globale Dimension), kommt dafür etwas zu kurz und wird zudem durch die Müll-Mafia-bezogenen Handlungsstränge fast erdrückt. Dafür sind die Dialoge, wie bei Anderegg üblich, amüsant, prägnant und süffig. Spezielle für Andereggs Szenarios typische und wissenschaftsaktuelle Ingredienzen des Thrillers sind auch ein von einem Studenten spielerisch und beiläufig entwickelter Sprengstoff, dessen Sprengkraft alles schon Dagewesene um Grössenordnungen übertrifft, die 3D-Technik und eine Doktorandin, die damit einen Filter erfindet und im Rahmen ihrer Dissertation auch herstellt, mit dem Lithium aus Tiefenwasser herausgezogen werden kann.

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