
Ein spannender, packender und aufwühlender Roman, den man kaum aus den Händen legen kann, obwohl er 550 Seiten umfasst.
Die wichtigsten ‚dramatis personae’ sind die Geschwister Ritchie und Bec (Rebecca) Shepherd, die Brüder Alex und Dougie Comrie, deren Onkel Harrie Comrie und sein Sohn Matthew mit Familie, und Val Oatman, Herausgeber eines skandalversessenen englischen Tabloids (à la News of the World).
Ritchie Shepherd, alternder Rockstar und anscheinend glücklich verheiratet mit seiner früheren Band-Sängerin Karin, produziert schwachsinnige TV-Soaps, aspiriert jedoch noch immer auf ‚höhere Weihen’; er will ein angesehener Filmemacher werden, indem er mit dem IRA-Mörder seines Vaters, der Folterung und Ermordung der Preisgabe eines Informanten vorzog, der inzwischen aus dem Gefängnis entlassen ist, eine Dokumentation produziert – als Beispiel für die und Teil seines eigenen Prozesses der Überwindung des erlittenen Traumas.
Alex Comrie und Bec Shepherd sind Biologen und als forschende Wissenschaftler tätig. Alex greift die sogenannten ‚intelligenten Zellen’ auf, die sein Onkel Harry vor 15 Jahren entdeckt hat. Es gelingt ihm, die Wirkungsweise dieser Zellen zu erklären und damit eine neue Ausgangslage für die Alterungsforschung zu schaffen; seine Entdeckung wird als Beginn der Umsetzung des Menschheitstraums vom ewigen Leben gefeiert. Bec stösst bei einer Feldforschung in Papua-Neuguinea auf ein Phänomen der Malaria-Immunität, auf dessen Basis sie eine mindestens partiell wirksame Malaria-Impfung entwickelt.
Die Handlung besteht aus verschiedenen, teils unabhängigen, teils eng miteinander verflochtenen Strängen. Einer besteht aus der Entwicklung der Rocklegende Ritchie. Ein anderer behandelt die wissenschaftlichen Entdeckungen und die damit verbundene Prominenz der beiden Akteure Alex und Bec, sowie die Rolle ihres wissenschaftlichen Vorbilds Harry. Ein weitere Strang kreist um den rationalen und agnostischen Wissenschaftler und Vater Harry und dessen Sohn, der mit seiner Familie in eine tiefe und aus Sicht von Harry völlig irrationale Religiosität abdriftet; über diesen Strang betritt der Roman das Gebiet der Spiritualität und des Grenzbereichs zwischen Wissen und Glauben. Im letzten Strang schliesslich steht Val Oatman im Zentrum, und zwar zunächst als scheiternder Tabloid-Herausgeber, dann als erpresserischer Betreiber der Webpage ‚Moral Foundation’ (MF); MF deckt unter dem Anspruch, die Moral der Welt wieder herzustellen, unmoralisches Verhalten von Individuen auf; die Information über diese Tatbestände ‚erwirbt’ MF, indem Personen, über die MF bereits etwas ‚Anrüchiges’ weiss, anstiftet, als Gegenleistung für die Zusage, dass auf eine Veröffentlichung ihrer Missetaten verzichtet wird, Informationen über Untaten anderer Prominenter preiszugeben.
Meek gelingt es, aus diesen Strängen eine breit angelegte Familiengeschichte zu weben, in die auf ganz natürliche Weise aktuelle gesellschaftliche Themen, welche die Menschen bewegen, integriert sind.
The Economist sieht in seiner Buchbesprechung von «The Heart Broke In» russische Elemente (offenbar vor allem, weil Meeks erster Roman «The People’s Act of Love» in Sibirien spielt). Das ist sehr weit hergeholt. Im ganzen Roman kommt keine russische Person, kein russischer Schauplatz, keine Anspielung oder Bezugnahme auf ein russisches Thema vor. Die Gesellschaft, das Milieu und die handelnden Personen des Buchs sind typisch englisch; der teilweise sarkastische Humor ebenfalls.
Die Tatsache, dass die Thematik des Romans im Wesentlichen um ‚Schuld und Sühne’ kreist, genügt wohl noch nicht, um darin spezifisch Russisches zu entdecken.
So oder so, der Roman ist ein Lektüre-Leckerbissen.