Umfragen sind ein Unfug – ein Popanz für Demagogen und Populisten, und eine ergiebige Rendite-Quelle und Arbeitsbeschaffungs-Gelegenheit der Umfragebetreiber.
Umfragen, die sich an ein allgemeines Publikum richten, fehlt jegliche Repräsentativität. Jeder kann seine Meinung, besser, seine Vorurteile, einbringen und muss keinerlei Konsequenzen oder Verantwortung für das Ergebnis tragen. Die Angaben der Mitmacher zur Person, sofern solche Fragen überhaupt gestellt werden, sind nicht überprüfbar.
Umfragen sind keine Abstimmungen. Bei Abstimmungen wird wenigstens versucht, im Vorfeld die zur Abstimmung Berechtigten über die zu entscheidende Frage aufzuklären, es finden kontradiktorische Debatten statt, und viele der Berechtigten haben aus demokratischem Verantwortungsgefühl heraus das Bedürfnis, sich über die zu entscheidende Frage aus eigener Initiative und Kraft zu informieren. Bei Umfragen wird aus momentaner Befindlichkeit heraus der ‚Like’- oder ‚Don’t like’-Button gedrückt.
Umfragen sind ein virtueller Biertisch: am Biertisch hört keiner auf das, was der andere sagt; niemand geht auf vorgebrachte Argumente ein; jeder betet seine Dogmen und Vorurteile herunter; bei Umfragen besteht nicht einmal die Möglichkeit, anderen zuzuhören und über deren Argumente zu debattieren.
Jeder denkende Mensch müsste seine Antwort auf Umfrage-Fragen mit der Einleitung: «Das kommt darauf an, …» beginnen, und mit «… weil …» beenden. Bei Multiple-Choice-Fragen ist das nicht vorgesehen. Antworten ohne Kontext und ohne Begründung ergeben keinen Sinn.
Die eigentlichen Antworten, die bei Umfragen anfallen, haben für die Wirkung einer Umfrage keinerlei Bedeutung; Bedeutung und Wirkung bekommen Umfragen einzig und allein durch die meist willkürliche Bewertung der zahlenmässigen Ergebnisse durch Auftraggeber, Medien-Kaffeesatzleser und Politiker; dabei werden selbstverständlich nur diejenigen Fragen beziehungsweise Antworten berücksichtigt, die einem in den Kram passen.
Beispiele für den Unsinn von Umfragen, und die Unmöglichkeit, daraus vernünftige Schlüsse zu ziehen (aus der NZZ am Sonntag vom 29. Januar 2023):
Schweiz; Corona-Leaks (Seiten 8 und 9):
- 30% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer glauben, dass Berset nichts von der Weitergabe von vertraulichen Informationen wusste; 41% glauben, er wusste es; 29% wissen es nicht.
- 36% (Männer 40%; Frauen 33%) sind der Ansicht, er sollte bestimmt oder eher zurücktreten.
- 64% (Männer 60%; Frauen 69%) sind der Ansicht, er sollte nicht oder eher nicht zurücktreten.
Da drängt sich wohl doch die Frage auf, was in den Köpfen derjenigen vorgeht, die glauben, Berset lüge, ihn aber trotzdem als Bundesrat behalten wollen. Entweder haben sie sich bei der Beantwortung dieser und aller anderen Fragen nichts gedacht (dann ist die Umfrage wertlos), oder sie haben ein so zynisches Demokratie- oder Amtsverständnis, dass deren Meinung nicht verdient, publiziert zu werden.
Hintergrund – Marktforschung: Die Hälfte weiss nicht, was ,woke’ ist (Seite 19):
Eine Studie des Marktforschungsinstituts Marketagent.com untersucht, wie die Schweizer Bevölkerung zum Kampf der Woke-Bewegung gegen Sexismus und Rassismus steht. Ergebnisse:
- Rund 50% hören durch die Umfrage zum ersten Mal von ,woke’, 17% sind den Begriff schon begegnet, haben aber keine Ahnung, was damit gemeint ist. Nur 13% meinen, dass sie darüber Genaueres wüssten.
- 51% sagen, sie würden den Anliegen der ,Woke’-Bewegung positiv gegenüberstehen; 22% sagen, sie stünden voll dahinter und versuchten selbst, ,woke’ zu sein.15% sagen, sie seien von der ,Woke’-Bewegung genervt.
Wie aber können über 50% der Befragten sagen, sie seien gegenüber ,woke’ positiv eingestellt, und zusätzliche 22%, sie seien voll dahinter (total also über 70% positiv eingestellt), wenn knapp 70% von sich selbst sagen, den Begriff noch nie gehört oder keine Ahnung von dessen Bedeutung zu haben?
Dass solche Umfragen überhaupt publiziert werden, spricht definitiv weder für die Marktforschungs-Industrie noch für die Intelligenz, Ehrlichkeit oder das Urteilsvermögen der Umfrage-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer.