Selbstverwirklichung

Selbstverwirklichung

Selbstverwirklichung: Synonym (neudeutsch) für Egoismus, Egozentrik; Raubrittertum an gesellschaftlicher Mitverantwortung

Selbstverwirklichung wird häufig als Ausrede für Verantwortungslosigkeit verwendet: Der Mann lässt seine Familie im Stich, um sich mit einer anderen Frau selbst zu verwirklichen. Das junge Paar macht lieber eine Selbstverwirklichungsweltreise als sich um sein berufliches Fortkommen zu kümmern. Der Lehrling bricht seine Lehre ab, um sich in einem Hobby, Sport oder Kreis von vermeintlichen Freundeskumpanen selbst zu suchen.

Im Namen der Selbstverwirklichung bleiben beide Partner eines Paars berufstätig, ordnen ihre privaten Ziele dem Karrieremachen unter und, wenn sie überhaupt Kinder wollen und bekommen, dann so spät, dass sie bereits frühpensioniert sein werden, wenn die Kinder zu Jugendlichen heranwachsen; Erziehung und Betreuung der Kinder werden vernachlässigt, günstigenfalls «outgesourced». Mit Selbstverwirklichung wird begründet, dass Studien länger dauern, dass nach jeder grösseren Anstrengung im Leben ein «Zwischenjahr» eingeschaltet werden muss, dass der Berufseintritt später und die Pensionierung früher erfolgt, sodass soziale Systeme wie Krankenversicherungen und Pensionskassen finanziell ruiniert werden – das fehlende Geld kann ja den Reichen, solange es sie noch gibt, weggenommen werden. Mehr und mehr sorgt die Selbstverwirklichung dafür, der Kindernachwuchs fehlt und die Bevölkerungspyramide auf den Kopfgestellt wird.

Da jeder Mensch sich auf «seine» Weise selbst verwirklichen will und können muss – alles andere wäre ja Ausübung von Macht und Gewalt gegen Menschen – führt der Kult der Selbstverwirklichung auf direktem Weg zum Wertezerfall und in die Beliebigkeit: alles ist möglich, alles ist erlaubt; was erlaubt und beliebt ist, wird zum Muss oder Mainstream.

Die aus dem Kult der Selbstverwirklichung sich selbst erzeugende Beliebigkeit korrumpiert auch die Politik: anstatt dass die Politik sich dafür einsetzt, das Notwendige populär zu machen, erklärt sie das Populäre für notwendig.

Das ganze Gedöns der sogenannten Millenials über die anzustrebende Work-Life-Balance erweist sich als Schall und Rauch, denn offenbar ist für sie die Balance erst dann erreicht, wenn der Zeitanteil der privaten Selbstverwirklichung 100% und jener der Strafe ,Arbeit’ 0% erreicht. Allerdings werden sie dann, wenn sie nicht von einer Erbschaft leben können, unter einem neuen Problem leiden: für die Folgen sind sie selbst verantwortlich, denn der Selbstverwirklichungskiller Arbeit ist tot.

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