progressiv (2)

progressiv (2)

Die Grafik illustriert, wie Freiheits-feindliche und Freiheits-betonte Weltsichten aufeinanderprallen. Auf der Diagonale bewegt man sich zwischen den Extremen ‚Ideologe, d.h. 100% Diktat und 0% Freiheit‘, beziehungsweise ‚Liberal, d.h. 0% Diktat und 100% Freiheit‘.

In der Wirklichkeit wird sich kaum ein Mensch an einem der Extrempunkte befinden. Aber je näher man sich am oberen linken Ende der Diagonale oder am unteren rechten Ende befindet, desto stärker ist die Ausprägung von Gesinnungsdiktat (oder in milderer Form ‚gelenkte Meinung‘, beziehungsweise ‚laissez-fair‘.

Konkrete mögliche Ausprägungen auf dieser Diagonale sind der «Ideologe» und der «Liberale» und etwa so charakterisierbar:

Der idealistische Progressive …

  • basiert auf einer ideologisch gefestigten antipluralistischen fixen Idee von einer gerechten Welt
  • glaubt an eine kollektivistisch ausgerichtete Planwirtschaft, welche in letzter Konsequenz in dei Diktatur führt
  • weiss genau und ex cathedra, wie ‚seine‘ ideale Welt aussehen müsste
  • hält ‚seine‘ Weltsicht für die absolut und einzig richtige
  • Ist überzeugt davon, mit absoluter Sicherheit zu wissen, was alles gut, gerecht und friedlich ist, und ebenso, dass alles andere böse, ungerecht und gewalttätig ist
  • weiss somit, wie das Paradies auf Erden aussehen muss
  • hält dieses Paradies für absolut richtig und für den wünschbaren statischen Endzustand jeder Entwicklung 
  • weiss aber auch, dass es zur Verwirklichung seiner idealen Welt einen ‚neuen Menschen‘ braucht, denn der von der Evolution hervorgebrachte Homo Sapiens steht ihm im Weg; paradoxerweise lehnt er jedoch Genmanipulation ab, obwohl sie die einzige erfolgversprechende Methode zur Produktion des neuen Menschen wäre
  • stellt Moral und Gesinnung über Verantwortung und Freiheit
  • verkennt oder missachtet die Tatsache, dass es keine ideale Welt für alle gibt und geben kann, weil die Menschen zu sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Sehnsüchte haben, denn er weiss es besser
  • sieht sich im Besitz der Deutungshoheit und will diese mit letzter Konsequenz durchsetzen, ist also ein Machtmensch
  • will andere Menschen abholen, an die Hand nehmen und zu höherer Erkenntnis führen, sie davor verschonen, mit Ideen anderer konfrontiert zu werden, mit deren Argumenten und Konklusionen, um sie davon abzuhalten – mittels selber Nachdenken – ihre eigene Position überprüfen und allenfalls justieren oder korrigieren zu können
  • legt mehr Gewicht auf identische Behandlung aller denkbaren Identitäten als auf die Beachtung der Interessen der Gesellschaft als Ganzes; die Prinzipien «Jedem das Seine.» oder «Gleiches gleich, und Ungleiches ungleich behandeln.» sind ihm ein Gräuel
  • behandelt jeden, der sich beleidigt fühlt oder zu kurz gekommen glaubt, als hilfsbedürftiges Opfer
  • lehnt Wettbewerb und Konkurrenz ab, weil sie Ungleichheit (oder Ungerechtigkeit) sowie Gewinner und Verlierer erzeugen 
  • ist fundamental rückwärtsgewandt, denn er will die Menschen zurück ins Paradies, das es nie gab, führen, notfalls mit Verboten und Geboten, also mit Druck und Gewalt
  • hält alles, was neu ist, weil es neu ist, für progressiv; das Bestehende und erst recht das Gewesene ist rückständig; wer daran festhält, ist selbst rückständig und obsolet
  • hält seine Vorstellung der idealen Welt für progressiv – alles andere ist für ihn rückständig, konservativ

Der pragmatische Liberale…

  • hat keine fixe inhaltliche Anfangsposition für eine wünschbare Gesellschaftsordnung, sondern einen Satz von Werten, die ihn bei deren Entwicklung leiten, sowie eine klare Vorstellung vom wünschbaren Entwicklungs-Prozess (demokratisch freie Aushandlung unter den Gesellschaftsmitgliedern, ergebnisoffen, Regel-basiert)
  • zieht eine unvollkommene individualistische und auf Freiheit ausgerichtete Gesellschaftsordnung einem auf Utopien basierten Sozialengineering vor
  • akzeptiert, dass die Welt und die Menschen und das Ergebnis ihrer Verhandlungen genauso heterogen, widersprüchlich, pluralistisch sowie unvollkommen wie die Menschen selbst und nie in einem statischen Gleichgewicht sind
  • hält die Freiheit der Menschen, je ihr eigenes Glück zu suchen, für das höchste Gut
  • akzeptiert, dass die jeweils aktuell gültige Gesellschaftsordnung (oder die Regeln des Zusammenlebens innerhalb einer Gesellschaft) genauso imperfekt ist wie die Menschen selbst
  • behandelt den Entwicklungsprozess der Gesellschaftsordnung als nie endendes ‚work in progress‘, als per definitionem dynamisch und ergebnisoffen
  • unterzieht sich dem Ergebnis dieses Verhandlungsprozesses, auch dann, wenn es ihm nicht passt, solange es gültig ist 
  • anerkennt pragmatisch und realistisch, dass es auf dieser Welt – mit dem gegebenen Menschengut, und ohne Diktatur – gar nicht ohne Pluralismus, Widersprüche und Brüche zugehen kann; ist also bereit, mit dem durch die Evolution hervorgebrachten irrenden, sprunghaften, selbstsüchtigen, gierigen, verführbaren und launischen Wesen Homo Sapiens auszukommen und mit beharrlichem Einsatz von ‚trial and error’ das Beste daraus zu machen
  • will weder abgeholt, an die Hand genommen und zu höherer Erkenntnis geführt werden, sondern sucht die Konfrontation mit Ideen anderer, mit deren Argumenten und Konklusionen, um damit – mittels selber Nachdenken – seine eigene Position überprüfen und allenfalls justieren oder korrigieren zu können
  • stellt Verantwortung und Freiheit über Moral und Gesinnung
  • fördert Wettbewerb und Konkurrenz, weil sie Teil der evolutionären Natur der Menschen und kreative Grundlage guter Problemlösungen sind
  • setzt sich mehr für die Interessen der Gesellschaft als Ganzes ein als auf die Forderungen von identitären Sonderinteressen einzugehen; er respektiert die Prinzipien «Jedem das Seine.» oder «Gleiches gleich, und Ungleiches ungleich behandeln.»; für ihn ist nicht jeder, der sich beleidigt fühlt oder zu kurz gekommen glaubt, ein Opfer, das Hilfe braucht
  • respektiert alle Wertvorstellungen der Menschen, solange diese die Regeln des Zusammenlebens innerhalb einer Gesellschaft einhalten, also Verfassung und Gesetz entsprechen
  • hält das für progressiv oder fortschrittlich und erstrebenswert, was die Menschen in Bezug auf vereinbarte Qualitätskriterien voranbringt; Neues ist nicht per se progressiv, sondern muss sich gegenüber dem, was schon da ist, rechtfertigen und bewähren
  • hält seine Vorstellung der idealen Welt für progressiv – alles andere ist für ihn antifreiheitlich, d.h. diktatorisch

siehe zum Thema auch Mario Vargas Llosa «Der Ruf der Horde», insbesondere Kapitel über Friedrich August Hayek (Seiten 110ff)

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