Freakonomics – A Rogue Economist Explores the Hidden Side of Everything (2005)

Freakonomics – A Rogue Economist Explores the Hidden Side of Everything (2005)
Steven D. Levitt, Stephen J. Dubner, 2020-06

Corona-bedingt greife ich zurzeit zu Büchern, die schon jahrelang in meinem Büchergestell herumstehen, ungelesen, weil ich bisher immer Wichtigeres, Unterhaltsameres oder einfach Aktuelleres zu lesen hatte.

Jetzt also habe ich zu Freakonomics gegriffen – und bin entzückt und begeistert.

Levitt, der seinerzeitige Jungstar der ‚Economics‘ (Gewinner der John Bates Clark Medal, die alle zwei Jahre dem besten amerikanischen Ökonomen, der jünger als 40 ist, verliehen wird), und der Journalist Dubner (Mitarbeiter der New York Times und von The New Yorker, sowie Autor von Bestsellern wie Turbulent Soulsoder Confessions of a Hero-Worshipper), haben sich zusammengetan, um Freakonomics zu schreiben. Gemäss Klappentext verdeutlicht das Buch,

dass ‚Economics‘ im Kern eine Studie über Anreize ist; über die Frage, wie Menschen erhalten, was sie wollen, oder benötigen; ganz besonders wenn andere Menschen das Gleiche haben wollen oder benötigen. Die beiden Autoren erforschen die verborgene Seite von … nachgerade allem: die inneren Mechanismen einer Koks-Bande; die Wahrheit über Immobilien-Agenten; die Mythen der Finanzierung von Wahlkampagnen; die verräterischen Indizien für betrügerische Lehrer; die Geheimnisse des Ku Klux Klan.

Das was diese Storys verbindet, ist die Überzeugung, dass die moderne Welt, trotz einem Übermass an Verdunkelung und Vertuschung, von unnötiger Komplexität und frontaler Täuschung, nicht undurchdringlich ist, und – wenn die richtigen Fragen gestellt werden – noch verwirrender und rätselhafter ist, als wir denken. Alles, was es dabei braucht, ist eine neue Sicht auf die Dinge. Steven Levitt, zeigt, dass unheimlich schlaues Denken und offene Augen ermöglichen, den Riesenhaufen von Kram und Unordnung zu durchschauen.

Freakonomics basiert auf der unkonventionellen Annahme: Moralität beschreibt, wie die Welt aus unserer Sicht funktionieren sollte. ‚Economics‘ hingegen beschreibt, wie die Welt wirklich funktioniert. Leser des Buchs werden mit genügend Rätseln und Geschichten ausgerüstet, um tausend Cocktail Partys zu überstehen. Aber es bietet mehr als das: Das Buch wird eine neue Art definieren, wie wir die Welt sehen.

Freakonomics ist ein Buch, das unglaublich viele, ökonomisch-gesellschaftliche Situationen aus unterschiedlichen Gesichtspunkten beschreibt und beleuchtet. Es ist weder thematisch noch nach irgendwelchen wissenschaftlichen Kriterien gegliedert – es ist schlicht und ergreifend anekdotisch und eklektisch, aber unheimlich anstössig und anregend, weil es immer wieder vorführt, dass und wie man Dinge, die vordergründig klar und eindeutig sind, nach neuen Gesichtspunkten hinterfragen und damit auch falsifizieren kann.

Levitt erklärt auch für Laien überzeugend klar den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität und macht an zahlreichen Beispielen klar, mit welchen Methoden (u.a. Regressionsanalyse, vor allem aber ein gesundes Mass an Skepsis und ein noch grösseres Mass an XMV – xunder Menschenverstand) der Unterschied festgestellt werden kann.

Levitt stellt mit beeindruckender Leichtigkeit, Entspanntheit und Humor ‚exotische‘ Zusammenhänge dar und widerlegt die ihnen zugrundeliegende ‚conventional wisdom‘, und führt diese gelegentlich ad absurdum. Beispiele dafür sind:

  • Haushalte, die eine ‚Kanone‘ (gun) haben, sind zu gefährlich, um ein Kind dort spielen zu lassen – aber bei der Nachbarsfamilie mit Swimming Pool darf das Kind spielen (dabei ist statistisch erwiesen, dass viel mehr Kinder in Swimming Pools ertrinken als erschossen werden).
  • Viele Eltern meinen, und verhalten sich entsprechend, dass ihre Betreuung und ihre Aktionen dafür garantieren, dass ihre Kinder sich so entwickeln, wie sie es für sie wünschen. In Wirklichkeit ist für den Erziehungserfolg nicht entscheidend, was die Eltern tun, sondern, was oder wer sie sind.
  • Am meisten provoziert Levitts These und Begründung, dass für den dramatischen Rückgang der Jugendkriminalität in den USA der 1990-er Jahre nicht zusätzliche Polizisten, klügere Polizeistrategien, schärfere Waffengesetze, etc. verantwortlich waren, sondern die berühmte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten ‚Roe vs. Wade‘, die 1973 das Abtreibungsverbot der meisten US-Bundesstaaten für verfassungswidrig erklärte.

Das Buch muss – und soll auch – nicht sequentiell von vorn nach hinten gelesen werden; man kann es irgendwo aufschlagen, ein paar Seiten lesen und geniessen, und einige Tage oder Wochen später an einem ganz anderen Ende zupfen und die gleiche Bereicherung erfahren. Die einzige Voraussetzung ist ein offener Geist.

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