
Der 2019 erschienene Roman schildert Leben und Treiben einer Gruppe von 15- bis 16-jährigen High School-Schülerinnen und Schülern einer Advanced School for the Performing Arts im provinziellen Süden der USA. Der Titel ist aus der Schauspiel-Ausbildung übernommen; dort setzt ein sehr direktiver und verführerischer Lehrer die Technik ‚trust exercises‘ ein, um seine Zöglinge anzuleiten, sich selbst besser kennen zu lernen und auf die eigene Selbstverwirklichung vorzubereiten. In Rückblenden zeigt der Roman, dass praktisch alle Familien, aus denen die Kinder stammen, kaputt sind – mit entsprechenden Auswirkungen auf und Belastungen für die Kinder.
Am Beispiel einiger ausgewählter Schüler und Schülerinnen zeigt die Autorin, was 15 Jahre später aus ihnen geworden ist. Sie sind noch ziemlich gleich unreif und kaputt wie in ihrer High School-Zeit. Eine Entwicklung oder reflektierte Lebensgestaltung wäre offenbar eine Zumutung.
Das Buch wird in den Klappentexten über den grünen Klee gelobt: «destined to be a classic, Choi’s writing is dazzling in control and precision; this witty, sharp, unsettling novel grabs you and won’t let you go, timeless and relevant, a brilliant and challenging novel», usw.; das einzige Attribut, das ich unterschreiben würde, ist ‚unsettling‘. Es beunruhigt und verunsichert mich, dass teils anerkannte amerikanische Literaturkritiker ein solches Buch überhaupt lobend erwähnen, geschweige denn als ‚relevant‘ und ‚destined to be a classic‘ bezeichnen.
Jedenfalls trifft ‚won’t let you go‘ in keiner Art und Weise zu; ich musste mich buchstäblich durchbeissen und mich zwingen, dass Buch zu Ende zu lesen.
Ich finde die Sprache Choi’s weder witzig noch scharfsinnig oder klar, sondern wirr, zufällig und unorganisiert, und letztlich unreif. Alles kann so oder auch anders sein, und wenn es so ist, empfinden die Helden des Buchs es ohnehin ganz anders. A propos ,Helden’: praktisch alle Akteure sind Psychopathen oder mindestens reif für eine Psychotherapie; sie wissen nicht, was sie wollen; sie sind neurotisch und irgendwie traumatisiert, wissen aber nicht wovon; lieber suhlen sie sich im Unwissen und Ungewissen, als sich anzustrengen, sich Klarheit zu verschaffen. Es sind überwiegend lebensunfähige Personen, die das dumpfe Gefühl, unfähig zu sein und zu versagen, als Beweis dafür ansehen, dass sie leben und über den anderen stehen. Hinzukommt, dass alle wichtigen männlichen Wesen entweder schwul sind oder nichts Gescheiteres zu tun haben, als schwache Mädchen oder Frauen zu verführen, zu vergewaltigen und dann links liegen zu lassen; und die betroffenen Frauen begeben sich so hirn- und willenlos in entsprechend riskante Situationen, dass sie sich von Anfang an nicht zur Wehr setzen können oder wollen, und nachher nicht mehr fähig sind, das Geschehene zu reflektieren.
Susan Choi springt auf der Zeitachse beliebig hin und her, ohne den Leserinnen und Lesern den geringsten Hinweis zu geben, was der Sinn dieser Technik sein soll. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass der Sinn von Rückblenden, das aktuell Geschehende besser verständlich zu machen, oder durch Zeitsprünge in die Zukunft die Folgen des Geschehenden vorwegzunehmen, bei dieser Springerei keinerlei Rolle spielt.
Fazit: ein Buch zum Vergessen, bestenfalls als Lehrstück oder Fallstudie für angehende Psychiater geeignet; und eine Warnung davor, Literaturkritiken ernst zu nehmen.