
Der 1100-Seiten-Schmöker von Andrew Roberts wird von der Kritik mit Lob überhäuft. Wahrscheinlich zu Recht, denn er ist flüssig und spannend geschrieben und versucht auf Schritt und Tritt, die Motivation seines Helden – einschliesslich aller anderen Haupt- und Nebenakteure – zu ergründen und offen zu legen.
Leser wie ich gehören aber wohl nicht zum Zielpublikum des Autors. Mir scheint, dass diese neu erschienene Biographie sich in erster Linie an Geschichtsforscher richtet. Denn der Autor erzählt Churchills Leben und Wirken bis ins letzte verästelte Detail und liefert immer die passende Quelle, aus Churchills Brief-Korrespondenz, Tagebuchnotizen, Regierungsdokumenten, etc.
Ich bin durch diese Detailtreue, um nicht zu sagen ‚Detailversessenheit‘, überwältigt bis überfordert.
Die ersten 200 Seiten (bis inklusive zum Gallipoli-Debakel) habe ich sequentiell gelesen. Die nächsten 80% des Buchs werde ich häppchenweise, d.h. ‚at random‘ und punktuell aufnehmen.
In jedem Fall kann ich schon jetzt sagen, dass das Buch meine bisherige, mehr auf Hören-Sagen als auf eigenen Kenntnissen oder Nachforschungen beruhende Bewunderung für Churchill verstärkt. Dabei geht es nicht nur um Churchill als Individuum: er selbst und sein Wirken sind untrennbar vom englischen Wesen, von Kultur und Pragmatismus der angelsächsischen Welt verbunden, sodass meine Bewunderung sich von selbst auf diese Welt überträgt – selbst wenn sie mit dem BREXIT leider gerade zeigt, dass sie auch ‚anders‘ kann.