
Dieser Essay ist eine völlig überflüssige Publikation. Erstens ergibt schon ein flüchtiges Nachsehen in Arendts Wikipedia-Eintrag, dass sie zum Thema in ihrem epochalen Werk «On Revolution» alles für ihr Stichwort ‚Freiheit‘ Relevante gesagt hat. Zweitens deutet die Qualität des Essays (unstrukturiert, schwer verständlich formuliert, trotz Kürze – nur rund 50 Seiten, inklusive Nachwort des Herausgebers – viel Redundanz) darauf hin, dass die Autorin selbst gute Gründe gehabt haben wird, den Essay nicht zu publizieren. Die Tatsache, dass der Essay nun rund 50 Jahre nach seinem Entstehen publiziert wird, grenzt an ‚Leichenschändung‘ und ist jedenfalls ein Beleg dafür, dass für viele Wissenschaftler und Verlage ‚publish or perish‘ ein derart kategorischer Imperativ ist, dass sie allen Respekt vor dem Willen einer Autorin verlieren.
Ahrendt behandelt im Essay
- Etymologie des Begriffs ‚Revolution‘: ursprünglich im Wortsinn ‚zurückdrehen, wiederherstellen (Restauration)‘; heutige Bedeutung ‚radikale, auch gewaltsame Veränderung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse‘ kommt erst ab dem 18. Jahrhundert auf
- gegenwärtige, Arendt-eigene Deutung des Begriffs: Wendung zu etwas Neuem; im Zentrum der Wendung steht die Freiheit,
- sowohl als Freiheit ‚von‘ (von Zwang, Unterdrückung, vom Ausschluss (Exklusion) bei der Gestaltung von
politisch-gesellschaftlichen Prozessen, aber auch von Not und Armut) - als auch als Freiheit ‚zu‘, oder wie Arendt es nennt, die «Freiheit, frei zu sein»
- sowohl als Freiheit ‚von‘ (von Zwang, Unterdrückung, vom Ausschluss (Exklusion) bei der Gestaltung von
- Misserfolg von Revolutionen: Ahrendt klassiert die meisten Revolutionen der Neuzeit, mit Ausnahme der amerikanischen, als gescheitert, weil sie die ursprünglichen Ziele der Revolutionäre nicht erreichten, weil sich Revolutionen gegen den Willen der Revolutionäre selbständig machten und in eine andere als die beabsichtigte Richtung entwickelten, oder generell, weil sie das Gegenteil von Freiheit erreichten.
Das ist insgesamt zu wenig und zu wenig neu. Ich bin vom ersten Werk Arendts, das ich hiermit gelesen habe, enttäuscht. Die Verantwortung dafür liegt allerdings beim Herausgeber, denn Arendt selbst hielt den Essay ja nicht für publikationswürdig.