
Die etwas mehr als 500 Seiten der Geschichte der Bienen sind eine starke Lese-Zumutung, aus folgenden Gründen:
- Die Handlung ist auf drei zeitlich verschobene Handlungsstränge verteilt; der erste Strang spielt sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts in England ab (Thema: Erfindung radikal neuer Bienenstöcke); der zweite im beginnenden 21. Jahrhundert in den USA (Thema: industrielle Nutzung von Bienen für die Bestäubung riesiger Plantagen von der Ost- bis zur Westküste; Beginn des Bienensterbens) und der dritte gegen Ende des 21. Jahrhunderts in China (Thema: das einzige Kind eines jungen Paars erkrankt während einem Familienpicknick; Ursache anscheinend nicht eruierbar; Kind wird von Unbekannten entführt; Frau macht sich auf die Suche nach dem Kind).
- Der Roman springt zwischen den verschiedenen Handlungssträngen hin und her; ein Grund dafür ist nicht erkennbar, denn zwischen den Strängen gibt es keine innere Verbindung. Diese Wechsel erscheinen somit als unmotiviert und erschweren die Lektüre.
- Erst gegen Ende des Romans legt die Autorin den Grund für den dritten Strang sowie den Zusammenhang zu den anderen Strängen offen. Da dies das einzige Spannungselement des Romans ist, wird hier nicht verraten, was das ist. Nur soviel: Auch nach der Offenlegung dieses Rätsels erschliesst sich dem Leser weder der Sinn der Sprünge zwischen den verschiedenen Zeitebenen noch der logische Grund für die verschiedenen Zeitebenen; die Geschichte könnte gerade so gut sequentiell pro Zeitebene erzählt werden, oder noch besser, sich auf einen einzigen Handlungsstrang beschränken.
- Lundes Stil ist ausschweifend und zeitweise kitschig. Ihre Hauptfiguren sind lauter Menschen, die sehr unsicher durch die Welt gehen, die weder wissen, was sie wollen, noch was sie nicht wollen; die nicht einmal sicher sind, ob sie das, was sie haben, auch haben wollen; sie können sich für nichts entscheiden oder begeistern; und wenn sie es einmal trotzdem tun, richten sie sich und ihr Tun und Lassen nicht danach aus – es lohnt sich ja ohnehin nicht, denn morgen ist sowieso wieder alles anders… Ob dahinter die grassierende moderne Beliebigkeit und die Unfähigkeit stecken, sich für etwas zu entscheiden und dann danach zu handeln, bleibt der Spekulation der Leserschaft überlassen.
- Der Buchtitel selbst hält nicht, was er verspricht. Die Geschichte der Bienen wird überhaupt nicht behandelt. Bestenfalls wird die Rolle der Bienen angesprochen, aber auch dies ohne jeden geschichtlichen Ansatz. Das ist schade. Und wenn am Schluss suggeriert wird, das Schicksal der Menschheit und das Schicksal der Bienen wären untrennbar miteinander verbunden, wird eine Lösungsperspektive angedeutet, die ‚romantisch‘, völlig abgehoben, technisch rückwärtsgewandt und politisch kitschig und unmöglich ist.
Fazit: So wichtig die ökologische Rolle der Bienen ist, der Roman wird der nur angedeuteten Problematik nicht einmal ansatzweise gerecht.