Eine kurze Geschichte der Menschheit

Eine kurze Geschichte der Menschheit
Youval Noah Harari, 2017-17

Das 2011 auf Hebräisch publizierte und 2013 erstmals ins Deutsche übersetzte Buch zeichnet die Geschichte der Menschheit vom erstmaligen Erscheinen der Gattung ‚homo’ – vor ca. 70’000 Jahren – bis zur Gegenwart nach.

Es ist aber kein Geschichtsbuch im üblichen Sinn. Denn es berichtet nicht von bösen oder guten Herrschern, die andere gute oder böse Herrscher bekriegten und besiegten – oder umgekehrt. Jahreszahlen oder Schlachten kommen nicht vor. Königreiche oder Imperien werden zwar erwähnt, aber nicht als konkrete Erscheinungen in einem chronologischen Bericht über die Geschichte der Menschheit, sondern eher als Metaphern für spezifische Herrschaftsformen, welche sich im Zeitalter des Homo Sapiens als Organisationsformen für ihr Zusammenleben entwickelt haben. Vereinfacht gesagt ist diese ‚Geschichte der Menschheit‘ eine Schilderung der Zivilisationen, welche in den 70’000 Jahren seit dem Erscheinen des Homo Sapiens entstanden und meistens wieder verschwunden sind.

Die Geschichte beginnt mit der Evolution des ‚Tiers‘ Homo zum Erkenntnis- und Bewusstseins-fähigen Wesen. Sie überfliegt dann die landwirtschaftliche Revolution, die hier als Ersatz einer reinen Subsistenzwirtschaft von Jägern und Sammlern durch eine arbeitsteilige Gesellschaft, in der jeder das tut, was sie oder er am besten kann, verstanden wird. Sie wird fortgesetzt mit Kapiteln über die Erfindung des Geldes und deren Auswirkungen, über die Entwicklung vom Clan zum Dorf, zur Stadt und schliesslich zu einer globalen Welt und die Globalisierung. Unter dem Oberbegriff ‚wissenschaftliche Revolution‘ werden der Übergang von einer Mythen-, Aber- oder Glaubens-basierten zu einer Wissens-Weltsicht, d.h. zum Kant’schen «Wage zu Wissen!», die Dominanz der Wissenschaft sowie das Entstehen von Kapitalismus und Industrie behandelt. Das Schlusskapitel widmet Harari der Suche der Menschen nach Glück und – etwas gar reisserisch – dem Ende des Homo Sapiens.

Das Buch ist ‚süffig‘ bis salopp geschrieben und liest sich gut und streckenweise spannend. Dem Autor gelingt es immer wieder, den Leser, der meint, schon alles zu wissen, mit überraschenden Entwicklungen der Evolution des ‚Tiers‘ Homo zum selbst ernannten Beherrscher der Welt zu verblüffen. Es hat aber auch grosse Schwächen:

  • Richtigerweise betont Harari in seinen Einleitungskapiteln, dass die Evolution (ebenso wie die Geschichte) keine Zielrichtung kennt. Bei der Spezies Homo scheint er das jedoch zu vergessen. Die Geschichte des Homo beschreibt er insgesamt als eine Verschwörungsgeschichte. Denn gemäss Harari hat der Homo Ziele: er will sich die Erde untertan machen; er will die Umwelt ausbeuten, übernutzen und letztlich zerstören.Der Homo ist jedoch nicht zur Krone der Schöpfung geworden, weil er das so gewollt hätte, sondern weil irgendwelche Launen oder Zufälle der Evolution dazu geführt haben. Auch der Löwe ist nicht zum ‚König der Savanne’ geworden, weil er das angestrebt hat, sondern weil die Zufälle der genetischen Mutationen ihn stärker gemacht haben als beispielsweise die Paviane. Anders gesagt: das, was Harari als ‚Geschichte der Menschheit‘ präsentiert, ist nicht das Resultat einer Intention der Spezies Homo, sondern es ist im Rahmen der ziellosen Evolution passiert.
  • Der Blick Hararis in die Vergangenheit der Spezies Homo und seine Erklärungen, warum was sich wie entwickelt hat, sind hochgradig spekulativ. Das ist weiter nicht schlimm, denn der kundige Leser merkt von selbst, dass Vieles nicht auf die Goldwaage gelegt werden kann. Stossend ist für mich, dass auch dabei Harari gegen seine eigene Theorie der Ziellosigkeit von Evolution und Geschichte verstösst.

Der Ausblick Hararis, insbesondere seine Ausführungen zum ‚Ende der Spezies Homo‘, sind noch spekulativer – immerhin weist er ganz am Schluss darauf hin, dass er damit keine Prognose stellen, sondern nur ‚Denkanstösse‘ geben will. Ich meine aber, dass es seinem Buch besser anstehen und überdies seiner Grundtheorie besser entsprechen würde, wenn er ganz einfach darauf hinweisen würde, dass aufgrund der tragenden Logik der Evolution damit zu rechnen ist, dass die Spezies Homo Sapiens nicht das Ende der Geschichte sein kann. Er könnte auch dazu stehen, dass es völlig müssig ist darüber zu spekulieren, wodurch das Ende der Spezies verursacht, wie es aussehen und was danach kommen könnte – denn wir wissen es schlicht und einfach nicht. Er könnte damit auch den Kurzweils und anderen Weltuntergangspropheten dieser Welt die Grenzen des menschlichen Machbarkeitswahns aufzeigen und ein paar Worte dazu verlieren, wofür wir unsere Fantasie, Denk-Energie und -Kapazität gescheiter einsetzen könnten und sollten.

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