
Auf dieses Buch bin ich über die unten kopierte NZZ-Besprechung gestossen. Sie spricht für sich.
Wider den grünen Wahn
(eine Polemik mit Niveau, NZZ, 7. Juli 2016, Seite 27)
Die Sünden grüner Gutmenschen
Erich Weede – Bei einer Streitschrift besteht stets die Gefahr, dass man in unbegründete Beschuldigungen und Boshaftigkeiten abgleitet. Das ist bei Horst Demmlers Buch nicht der Fall. Die gut dokumentierte und sachliche Analyse erinnert vielmehr daran, dass auch einer Polemik wissenschaftliches Denken und Arbeiten zugrunde liegen kann. Der Autor weist darauf hin, dass die Grünen Zeitgeist, öffentliche Meinung sowie Medien prägen, und gleichzeitig wirft er den Erben der 68er Generation moralisch-politische Selbstgefälligkeit und inquisitorische Neigungen vor: Sie halten sich für gut, ihre Gegner für böse. Fakten und die Folgen politischer Entscheidungen interessieren sie kaum. Sie glauben an die Grenzen des Wachstums – und vorab an deren Wünschbarkeit –, obschon sie sowohl beim «Waldsterben» wie auch bei der Atomenergie falschen Alarm geschlagen haben. Berichte über Fukushima unterschlagen meist, dass von den 19 000 Toten 90% ertrunken sind; bisher wurde noch kein einziger Strahlentod nachgewiesen.
Das Buch bietet eine Auseinandersetzung mit den politischen Positionen der Grünen und ist im Kern ein Sündenregister. Nach Demmler lässt sich weder nachweisen, dass Produkte aus biologischem Landbau gesünder sind als konventionell hergestellte, noch, dass sie umweltschonender sind. Klar sind nur der grössere Flächenverbrauch, geringere Erträge und höhere Kosten.
Der Autor nimmt auch die Diskussion um DDT unter die Lupe und verweist auf Schätzungen, wonach das Insektizid vielleicht 500 Mio. Todesfälle durch Malaria und andere Krankheiten verhindert hat, vorwiegend in den ärmsten und tropischen Ländern. Dennoch wurde DDT von den Grünen in Europa und Nordamerika verteufelt, so dass viele Entwicklungsländer auf den Einsatz verzichteten, worauf sich die Malaria wieder ausbreiten konnte. Demmler verteidigt zudem die grüne Gentechnik, die, wie er betont, zur Lösung von Ernährungsproblemen in armen Ländern beitragen kann, wo viele Kinder unter Mangelernährung leiden. Ein Beispiel dafür ist der mit Vitamin A angereicherte «Goldene Reis», der dazu beitragen kann, Blindheit zu verhindern sowie die Mütter- und Kindersterblichkeit zu verringern. Das hat grüne Politiker indessen nicht daran gehindert, selbst in Fällen von Hungersnöten in Afrika Druck auf Staaten auszuüben, damit sie keine genetisch veränderten Nahrungsmittel aus den USA akzeptieren. Der Öko-Zeitgeist hat die Gentechnik inzwischen aus Europa vertrieben.
Das Streben der Grünen nach Gerechtigkeit äussert sich unter anderem darin, dass auch ärmere Steuerzahler zur Finanzierung des Studiums künftiger Besserverdiener beitragen sollen, dass mit dem Energieeinspeisungsgesetz die ärmsten Haushalte überproportional belastet werden, dass dieses Gesetz zwar nicht seinen Zweck erfüllt (die Reduzierung von CO2-Emissionen), aber Kosten in Milliardenhöhe erzeugt.
Das Buch ist so gut geschrieben, dass man beim Lesen gar nicht unterbrechen möchte. Wenn es eine Schwäche hat, dann die, dass das Sündenregister unvermittelt aufhört und nicht die systematischen Überlegungen zur Gefährdung des Erkenntnisfortschritts erörtert werden, die von politischer Korrektheit und voreiligem Konsens ausgehen. Am Anfang des Buches aber wird das durchaus angesprochen; der Autor verweist etwa auf die kommunistische Vergangenheit vieler grüner Politiker. Da ist es kein Wunder, dass den Umweltschützern die Einsicht in die Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit fehlt.
Mir ist es ähnlich wie dem Rezensenten gegangen; ich habe das Buch auch in einem Zug und zeitweise richtig gierig gelesen. Die Streitschrift zeichnet sich durch eine durchgehende Gegensätzlichkeit aus: einerseits kommt sie sehr wissenschaftlich daher; sie strotzt von Fakten, Zitaten, und in jeder Hinsicht glaubwürdigen ‚testimonials’; anderseits ist sie, wie der Untertitel verspricht, in einem sehr unwissenschaftlich polemischen und – jedenfalls für einen Leser wie mich – deshalb natürlich sehr genüsslich lesbaren Stil geschrieben.
Die aus meiner Sicht wichtigsten und nicht nur für Deutschland relevanten Kapitel befassen sich mit den Themen Biolandwirtschaft, grüne Gentechnik und erneuerbare Energien. Darin wird dargelegt, wie die grüne Ideologie nicht nur zur Geldvernichtungsmaschinerie degeneriert, sondern auch wie sie das Gegenteil ihrer erklärten Ziele bewirkt, nämlich eine gigantische Ressourcenverschwendung, zahlreiche Gesundheitsrisiken unvorstellbarer Grössenordnung, hunderte von Millionen vermeidbarer Todesfälle und unermessliche Landschafts- und Tierweltschäden.
In den 410 Seiten stecken viele Redundanzen und viele sehr und nur für Deutschland zutreffende Sachverhalte. Trotzdem: es ist überzeugend dokumentiert und erschreckend, wie die deutsche Politik auf vielen Gebieten aus rein ideologischen Gründen Unsummen von gutem Geld Problemlösungen hinterherwirft, die zur Lösung der erklärten Ziele nichts bis gar nichts beitragen. Der rote Faden der Streitschrift ist die Charakterisierung des ‚grünen Wahns’ als eine Haltung, welche die grüne ‚Welt’ (womit nicht nur die Politik im engeren Sinn gemeint ist) durchdringt: «Grün ist gut und heilig; wer dagegen ist, ist ein Unmensch.» Leider grassiert diese Haltung auch in der Schweiz; es ist zu hoffen, dass der helvetische Wahn, dem deutschen ‚Vorbild’ nachzueifern, nicht zu weit geht.
Die Streitschrift müsste für alle, die sich zu ‚grünen’ Fragen äussern wollen, zur Pflichtlektüre erklärt werden; und es müsste von jedem konsequent verlangt werden, dass sie oder er jedes Argument, das den von dieser Streitschrift vertretenen Thesen widerspricht, mit Fakten oder glaubwürdigen ‚testimonials’ beweisen kann. Es steht aber zu befürchten, dass bei der Auseinandersetzung mit Fragen, mit denen sich die Streitschrift befasst, für die grünen ‚Gläubigen’ der Grundsatz gilt: «Don’t confuse me with facts – I’ve already made up my mind.»