
Das ist ein ‚McEwan‘ der besonderen Art: er verwebt die Geschichte einer schweren Beziehungskrise (Ehekrise) der Hauptperson des Romans, der hohen Richterin (QC, Queens counsel ???) Fiona Maye, mit einem moralisch, rechtlich und menschlich äusserst schwierigen richterlichen Dilemma. Dabei geht es um die Entscheidung, ob einem jungen, erst knapp 18-jährigen (also rechtlich in England noch nicht selbständigen) Mann gestattet werden soll, durch Verweigerung einer seitens seiner religiösen Sekte verbotenen, Erfolg versprechenden Therapie (Bluttransfusion) gewissermassen Selbstmord zu begehen.
Fiona geht an die Grenze der richterlichen ‚Neutralität‘, indem sie den jungen Mann im Spital besucht, um herauszufinden, ob er seinen Verweigerungsentscheid aus eigener Überzeugung und ‚en connaissance de cause‘ getroffen hat, oder aus Loyalität zu seinen Eltern oder seiner Sekte. Daraus entwickelt sich eine ‚Liebesgeschichte‘, die zu einem tragischen Ende, und gleichzeitig zu einer Heilung ihrer Ehe führt.
McEwan präsentiert die dramatische Geschichte im für ihn typischen, emotionslosen und gleichzeitig bewegenden Stil so, dass der Roman fast wie ein Thriller verschlungen werden muss – und kann.
‚Heartbreaking‘ ist eines der Attribute, die dem Buch im Klappentext gewidmet sind: richtig! Mir kamen bei der Lektüre häufig (fast) die Tränen. Und das will bei meiner Rossnatur etwas heissen.
Lieber Ian McEwan – weiter so, bitte, bitte!
PS:
«The Children Act» wurde (mit deutschem Titel «Kindeswohl») 2017 hervorragend verfilmt, mit der ausserirdisch guten Emma Thompson in der Hauptrolle.