
Jauch legt ein Buch vor, das aus lauter kleinen, kurzen, meist sehr prägnanten Essays besteht.
In Teil 1 demontiert sie das ‚gezüchtete‘ Bild des aufgeklärten, toleranten ‚roi philosophe‘ Friedrich des Grossen. Sie entlarvt seine Grösse als Popanz des Militarismus, ihn selbst als grössten War Lord-Charakter des 18. Jahrhunderts, als ‚Potemkin avant la lettre‘, letztlich als Wegbereiter oder Verfestiger des deutschen Untertanengeists und der deutschen Staatshörigkeit. Sie positioniert ihn als Doppelspieler. In Jauchs Darstellung und Wertung lädt Friedrich zwar freie Geister aus ganz Europa an seinen Hof ein, führt mit ihnen eine umfangreiche, elitäre, libertäre und atheistische Korrespondenz und veranstaltet mit ihnen regelmässig rituelle, fröhliche und freigeistige Tafelrunden; er hält diese ‚freien‘ Geister jedoch wie Sklaven in der Kaserne von Potsdam gefangen.
In Teil 2 spekuliert Jauch über die mutmasslichen Folgen des von Friedrich gezüchteten Militarismus und Untertanengeistes. Dazu gehört auch und insbesondere der bestens mit Quellen und Zitaten unterlegte Nachweis, dass Friedrich der eigentliche Erfinder und Nutzer einer Propagandamaschinerie war, die folgerichtig nicht nur zu Göbbels, sondern auch zur Desinformationsmaschinerie der DDR führte. Ihre These, dass eine direkte Verbindung zu Hitlers Regime und der willigen Folgsamkeit der deutschen Bevölkerung besteht, belegt sie mit zahlreichen Quellen und Zeitzeugnissen. Die Kernthese Jauchs, dass in Deutschland die Aufklärung nie stattgefunden hat, findet hier ihre Begründung.
In Teil 3 macht sie das Gegenteil von Teil 1: sie weist nach, dass Kant nicht (nur) der ‚Apostel‘ des Kant‘schen Imperativs war, sondern dass seine Persönlichkeit viel weicher und vielseitiger war als von der deutschen Geschichtsschreibung gezeichnet.
Jauchs Buch ist zwar voller Redundanz, Schwärmerei und teils überschäumender auch emotionaler Kritik am ‚deutschen Wesen‘. Ihr Lieblingswort ‚klandestin‘ wird von ihr geradezu inflationär verwendet. Aber was ich im Vertrauen meinem Freund mitteile, ist mitnichten schon klandestin. Es liest sich aber trotzdem leicht und flüssig – eine amüsante und erhellende Lektüre, die man auch in kleinen Häppchen geniessen kann. Ausserdem macht die Lektüre auch sehr nachdenklich darüber, was denn von der deutschen Kulturnation und den deutschen Dichtern und Denkern tatsächlich zu halten ist. Gemäss Jauch per Saldo sehr wenig: mehr Schein als Sein, mehr Propaganda als Substanz, mehr Selbstinszenierung und -bespiegelung als wirkliches Leben.